Ashton, der Heißbluetige
auf. Er blinzelte wie ein Wesen aus der Unterwelt, das in das grelle Tageslicht tritt. Er streckte seine Hand aus, um sich an der Wand abzustützen.
Da sah er sie. Das Sonnenlicht fiel auf ihre zarte Haut, schimmerte auf ihrem Haar, malte einen Schatten unter ihre vollen Lippen und beleuchtete ihr Gesicht, so dass er ihre Miene bis in jede Einzelheit lesen konnte. Entsetzen. Mitleid. Ekel.
Das war zu viel.
„Ihr“, stieß er mit rauer Stimme aus. „Verschwindet. Sofort.“
23. Kapitel
„Los, steh schon auf, du fauler, stinkender Kerl!“
Ash rollte sich auf der Matratze herum, tastete nach einem Wurfgeschoss und knurrte, als er keines finden konnte: „Hau ab, Gunna. Deine zarten Dienste werden hier nicht gebraucht!“
Die Tür fiel ins Schloss. Als der Krach in seinem Kopf widerhallte, verzog Ash vor Schmerz das Gesicht. Gut. Er wollte nur eines: seine Ruhe. Er hatte alles ertragen, was er nur ertragen konnte . . .
Mit erstaunlich kräftigem Griff zog eine Hand an seinem Haar und riss seinen Kopf hoch. „Verdammt, du alte Hexe! Willst du mir den Kopf abreißen?“ keuchte er.
„Das will ich nicht“, versetzte Gunna angewidert. „Noch ein paar Tage mehr auf diesem Kurs, und Euer Gesicht wird so hager und hohl sein, dass es wie ein Totenschädel auf Eurem Hals sitzt. Ha!“ Sie stieß ein keckerndes Lachen aus.
„Du bist eine Hexe, Gunna.“
„Aye, und Ihr seid ein Halunke. Was denkt Ihr Euch eigentlich, Master Ash? Dass Ihr Euch zu Grunde richtet, so wie Ihr es tut, wird Euch bestimmt nicht die gute Meinung des Mädchens einbringen.“
Ash erstarrte. Gunna hatte schon immer mit unheimlichem Geschick seine Gedanken lesen und seine geheimsten Wünsche erraten können.
„Ich will ihre gute Meinung nicht.“
Er hörte Gunna mit der Zunge schnalzen. „Dann eben ihr Herz. Und macht Euch gar nicht erst die Mühe, es abzustreiten, weil ich Euch sowieso kein Wort davon glaube.“
„Du wirst auf deine alten Tage verflucht rührselig, Gunna. “ Sein Zorn war verraucht und hatte unendlicher Müdigkeit Platz gemacht. Er lächelt schwach. „Obwohl du dich immer darauf versteift hast, das Gute in allem zu finden. Eigent-lich überraschend, wo du doch schon so viele Jahre für ihn arbeitest.“
„Er ist nicht gänzlich schlecht“, sagte Gunna und fügte dann mit der einfachen Sachlichkeit hinzu, die Ash in seinen frühen Jahren so nötig gehabt hatte, „auch wenn ich einräume, dass er vorwiegend schlecht ist.“
Er lachte schwach. Gunna betrachtete ihn voller Zuneigung. „Ihr werdet es schaffen, Master Ash, wenn Ihr Euch nur eine gerechte Chance gebt. Ihr seid stark und kräftig, im Feuer geschmiedet und strahlend hell wie der Dolch, den Ihr mit Euch herumtragt. Ein leidenschaftlicher Mann. Aber daran ist nichts Beschämendes.“
Ihre Worte ernteten sein Gelächter. „Himmel! Schau mich doch an, erinnere dich daran, was ich, wie du weißt, alles getan habe. Ich bin nicht ,strahlend hell“!“
„Aye, das seid Ihr, Ash“, entgegnete Gunna leise und legte ihm sachte ihre Hand auf den Kopf.
Seine Antwort war ein Stöhnen.
„Du hältst Raine wahrscheinlich auch für einen Heiligen.“ „Auch?“ wiederholte Gunna ungläubig. „Ich kann mich nicht entsinnen, Euch einen .Heiligen“ genannt zu haben, Ash Merrick. Weit gefehlt. Und nein, ich halte Master Raine nicht für einen Heiligen. Er ist nur draufgängerisch, und außerdem lässt er sich ebenso gerne von seinen Gefühlen hinreißen, wie Ihr Euch bemüht, Eure zu verbergen.“
„Raine ist ein Teufel.“ Er hob seinen Kopf und schaute über seine Schulter zu Gunna. Sie stand, wie es sich gehörte, am Fußende seines Bettes, die Hände ordentlich vor ihrem Bauch gefaltet, die zerstörte Seite ihres Gesichtes zeigte eine gefasste Miene. „Wenn man sein Leben der Aufgabe widmet, einen Teufel zu beschützen“, erkundigte er sich, „zu was macht das einen? Einem Dämon?“
Gunna ging darauf nicht ein. „Lady Fia ist es, um die ich mir am meisten Sorgen mache. Sie ist so verletzlich.“
Ash rollte sich auf den Rücken. „Verschwende deine Zeit nicht mit Sorgen um Fia. Sie ist ein Modepüppchen, das berechnender ist und über mehr Gerissenheit verfügt als sonst irgendjemand, den ich kenne. Wenn es darum ginge, wer wen besser gegeneinander ausspielen kann, meine kleine Schwester oder der Rest der Welt, würde ich mein ganzes Geld auf Fia setzen, darauf, dass sie mit zehn Längen gewinnt. Carr ist völlig in sie vernarrt.“
„Aye“,
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