Ashton, der Heißbluetige
Mann sich bei einer Entführung die Zeit nimmt, einen Brief zu schreiben und darum zu bitten, dass ein Hund, der zu nix taugt, gepflegt und quer durchs ganze Land gebracht werden soll, nur damit das Tier einer Dame Gesellschaft leistet, dann muss ihm mächtig viel an der Dame liegen.
Und dann, nun, Ihr kennt Mrs. Fraiser. Sie sagt, was geschehen ist, ist geschehen, und dass es Euch gut gehen wird. Ihr lasst Euch nicht unterkriegen. “
„Was meinst du mit querdurch das ganze Land gebracht'?“ „Das Geld“, erklärte Andy geduldig. „Lord Merrick hat es geschickt, damit jemand Stella zu McClairen's Isle bringt. Ich hab mich freiwillig gemeldet und bin froh darüber. Hab noch nie nich einen Ort wie diesen hier gesehen.“
Er grinste breit, sah sich mit großen Augen in dem prächtig eingerichteten Schlafgemach um und stieß einen leisen, anerkennenden Pfiff aus. Rhiannon starrte ihn an, ohne ihn zu sehen. Ash hatte veranlasst, dass Stella gesund gepflegt und hergebracht wurde? Ash, der kaltherzige Verführer, der ihr beinahe Gewalt angetan hätte? Aber auch der Mann, der ihr einen alten Tartan gebracht hatte, damit sie etwas von ihrer Familie hatte. Lieber Gott.
„Ich bin vor 'ner Stunde hier angekommen“, sagte Andy, dessen Blick immer noch im Raum umherschweifte. „Lord Merrick ist gleich gekommen, mich zu sehen, geradewegs in die Küche, und hat dafür gesorgt, dass ich und Stella etwas in unsere Bäuche bekommen.“
Stella ließ sich prompt auf den Boden fallen und rollte sich auf den Rücken, ruderte mit ihren Pfoten bettelnd in der Luft, um sich den Bauch kratzen zu lassen.
„Er sieht nich gut aus, Lord Merrick, nee, bei meiner Seel nich. Und seine Augen wirken irgendwie leer. Und . . . oh, was bin ich dämlich!“
Mit einem verächtlichen Zungenschnalzen schlug Andy sich die Hand vor die Stirn, begann seinen Beutel zu durchsuchen und zog schließlich ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus. Er reichte es ihr. „Das sendet er Euch, Miss.“ Er schaute zu Stella und grinste. „Und du musst gar nich so gucken, du kuhäugiges Leckermaul, ich hab auch was für dich.“
Einmal mehr verschwand Andys Hand in der Tasche, diesmal holte er einen Kalbsknochen hervor. Er warf ihn Stella zu, die ihn in der Luft auffing. „Hab ich von einer der Spülmägde“, fügte er erläuternd hinzu. „Nettes Mädchen. Sehr hilfsbereit, wenn Ihr versteht, was ich meine.“
Ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf Andys jungem Gesicht. Dann schlug er sich plötzlich auf die Schenkel. „Nun, dann, ich . . . äh, dann geh ich jetzt besser. Ich . . . ich hab was in der Spülküche vergessen. Bevor ich mich auf den Rückweg nach Fair Badden mache, schau ich hier noch mal vorbei, falls Ihr mir etwas für Mrs. Fraiser mitgeben wollt.“ Er setzte sich seinen misshandelten Hut zurück auf den Kopf, nickte ihr zu und öffnete die Tür. Im verlassen daliegenden Flur schaute er erst in die eine, dann in die andere Richtung. „Die haben hier wohl nix für den Morgen übrig, was?“ Damit verschwand er, nachdem er die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte.
Mit bebenden Händen faltete Rhiannon das Blatt Papier auf. Es standen nicht viele Worte darauf geschrieben, die Handschrift war eckig, gerade und ohne Schnörkel - ein bisschen wie Ash selbst. Sie blinzelte die plötzliche Feuchtigkeit in ihren Augen fort, dann las sie:
Vergebt mir, und nehmt diesen Hund als meine Entschuldigung an. Bitte. Ich hatte nicht vor, Euch Angst einzujagen. Bitte.
Merrick
Aber er hatte schon lange vor der Szene in der schwach erleuchteten Kammer nach Stella geschickt, bevor sie überhaupt hier angekommen waren. Er hatte getan, was er konnte, um dafür zu sorgen, dass Stellas Wunden versorgt wurden, und dann Vorkehrungen getroffen, dass sie hierher zu Rhiannon gebracht wurde, damit ihre Herrin nicht so allein war. Weil Ash verstand, was es hieß, allein zu sein, ohne Verbündete oder Vertraute.
Oder Liebe.
Aber das Gefühl hatte er in Fair Badden kennen gelernt. Dessen war sie sich sicher. Er hatte nur nicht genug Erfahrung, es als das zu erkennen, was es war.
Er mochte in Wahrheit nicht der charmante Lebenskünstler sein, dem ihr Herz in Fair Badden zunächst zugeflogen war. Aber genauso wenig war er ein gefühlloses Ungeheuer, das sie nur verführt hatte, um sie dann fallen zu lassen. Er war ein harter Mann, der so dringend Zärtlichkeit brauchte, von seinem Vater und dem Schicksal gebeutelt, auf der Suche nach einem Augenblick des
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