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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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dem Schluss, dass nur Berufe wie Cutter, Kameramann, Tontechniker oder ähnliche Tätigkeiten im Medienbereich infrage kommen konnten. Ich war körperlich unbeholfen, feinmotorisch nicht sehr geschickt und in allen Bereichen, die nicht mit meinem Spezialinteresse zusammenhingen, langsam in der Auffassung. Also ging ich frühzeitig zum Arbeitsamt und wollte mich beraten lassen, wo es denn nach der Schule Chancen für mich geben könnte, einen Weg in der Medienwelt einzuschlagen.
    Der Besuch beim Arbeitsamt war ernüchternd
    Dort wollte man sich meines Problems erst gar nicht annehmen. Die Mitarbeiter hatten anscheinend sehr pauschale Vorstellungen von Autismus und waren der Überzeugung, dass ich mich niemals für einen Beruf im Medienbereich eignen würde. Man sagte mir, dafür müsste ich extrem flexibel und stressresistent sein, da in diesem Beruf vieles in sehr kurzer Zeit und sehr hektisch geschehe. Außerdem ist ein Medienberuf immer mit sehr viel Kommunikation verbunden, da man sowohl als Cutter als auch als Kameramann und Tontechniker in jedem Fall viel mit Arbeitskollegen kommunizieren muss, damit die gewünschten Ergebnisse von allen Beteiligten richtig umgesetzt werden können. Man hatte von Autismus offenbar die Vorstellung, dass die betroffenen Menschen kaum mit anderenLeuten kommunizieren können, vieles falsch verstehen, sich sozial schwer einbinden lassen und auch mit Stress nicht umgehen können.
    Meine Eltern und ich waren zweimal beim Arbeitsamt, und zwei verschiedene Berater wollten uns nachdrücklich von meiner Vorstellung abbringen, einen beruflichen Weg in die Medienwelt zu suchen. Sie wollten uns nicht helfen und mich auch nicht weitervermitteln. Einer der Berater sagte in meinem Beisein zu meiner Mutter: »Vergessen Sie es, Autisten sind ja noch schwerer zu vermitteln als Epileptiker.« Daraufhin entgegnete meine Mutter, es gebe ja das Behinderten-Gleichstellungsgesetz, welches vorschreibe, dass in jedem größeren Betrieb eine gewisse Zahl an behinderten Mitarbeitern angestellt sein müsse. Sie zitierte die Worte »… gemäß seinen Neigungen und Fähigkeiten« und verwies darauf, dass ich innerhalb meines Spezialgebietes mit meinem Perfektionismus und meiner großen Sachkenntnis meine Schwächen durchaus ausgleichen könnte und für jeden Arbeitgeber ein Gewinn wäre. Der Berater winkte nur lachend ab und entgegnete: »Ja, die Floskel gilt natürlich heutzutage längst nicht mehr. Sie müssen sich da immer den Nachsatz dazudenken: ›… sofern das mit den Interessen des Arbeitsmarktes in Einklang zu bringen ist.‹«
    Der Berater beim Arbeitsamt meinte, ich solle in einem Lager oder in einer Gärtnerei arbeiten, das sei doch »etwas für autistische Menschen«.
    Er erwähnte dann die Möglichkeit, in einem Lager oder in einer Gärtnerei zu arbeiten, das sei doch »etwas für autistische Menschen«. Zwar gab er uns halbherzig eine kleine Liste mit Kontaktadressen in der Medienbranche, legte mir dann aber eine Broschüre mit anderen Berufen in den Schoß und forderte mich auf, mir doch davon etwas auszusuchen. Ich begann darin zu blättern und war laut meiner Mutter sichtlich überfordert damit. Von den meisten Berufen hatte ich noch nie gehört, aber ich wusste auch nicht so recht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Ich war so in mich gekehrt und spielte im Kopf schon die nächsten Filmsequenzen durch, die ich an jenem Abend dann zu Hause basteln wollte, dass ich von all den Problemen mit dem Berater gar nicht viel mitbekommen habe. Meine Mutter war entrüstet und enttäuscht, aber ich habe von alledem nicht allzu viel wahrgenommen. Ich war der Ansicht, das würde schon irgendwie seine Richtigkeit haben und ändern könnte ich es sowieso nicht.
    Der Berater sagte zu meiner Mutter: »Das ist doch Ihr Problem, wo Sie eine Ausbildung für Ihren Sohn finden, und nicht unseres!«
    Meine Mutter beharrte in den folgenden Wochen noch mehrmals darauf, dass man uns beim Arbeitsamt weiterhelfen sollte. Einer der Beamten wurde am Telefon dann recht unverschämt zu ihr und meinte: »Das ist doch Ihr Problem, wo Sie eine Ausbildung für Ihren Sohn finden, und nicht unseres! Wir haben Ihnen gesagt, dass wir keinen Sinn darin sehen, ihn in die Medienbranche zu schicken, weil er dort keinen Fuß fassen wird. Deshalb sehen wir das als eine Fehlinvestition an.

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