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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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meiner unendlich vielen nie gestellten Fragen zu bekommen. Entscheidend war für mich, einen Menschen gefunden zu haben, der mich ernst nahm und mir die geschilderten Probleme glaubte. Hätte die Mitarbeiterin des Kompetenzzentrums einfach nur ihren Job gemacht, dann wäre ich vermutlich nach dem ersten Termin und der für mich danach bestehenden Sicherheit, dass Autismus mein ganzes bisheriges Leben erklärt, nicht mehr dorthin gegangen. So aber bekam ich die Möglichkeit, einen Teil des Chaos’ in meinem Kopf zu beseitigen und bisherige Erlebnisse zu sortieren. Erst dadurch habe ich die Chance erhalten, einige meiner Probleme zu lösen und negative Erlebnisse zu verarbeiten.
    Umso schwerer war es für mich, als ich vor einiger Zeit erfuhr, dass diese Frau ihre Stelle wechseln wird. Seither kann ich niemandem mehr meine Lebensgeschichten erzählen oder dumme Fragen stellen, und darüber bin ich sehr traurig. Ich verlor den Menschen, der mir im vergangenen Jahr am wichtigsten geworden war.
    Weitere wichtig Bezugspersonen
    Auch in der Abteilung, in der ich im Moment arbeite, gibt es einen mir sehr wichtigen Menschen. Er war während der schwierigen letzten Jahre vor der Autismusdiagnose für mich da. Er gab mir die Möglichkeit, meiner Einsamkeitund Verzweiflung aufgrund der mir nicht erklärbaren Welt um mich herum und des immer bedrohlicher werdenden Gefühls, dass irgendetwas gar nicht passt, Ausdruck zu verleihen. So habe ich die Zeit überstanden, bis sich das Geheimnis um mein Anderssein endlich – und fast zu spät – lüftete. Leider haben wir uns zuletzt etwas auseinandergelebt, aber ich hoffe, dass wir wieder einen Zugang zueinander finden können.
    Als Bezugspersonen würde ich auch diejenigen Bekannten bezeichnen, die ich auf meinen Reisen durch Namibia und Sarawak (Malaysia) kennen gelernt habe. Dies waren die schönsten, weil ruhigsten Phasen meines Lebens. Die Menschen, mit denen ich unterwegs sein durfte, haben mich auf meine natürlichste Art kennen gelernt. Anscheinend war ich ihnen so sympathisch, dass sie sich noch heute regelmäßig bei mir melden. Leider finde ich nur selten eine Möglichkeit, diese Bekanntschaften am Leben zu erhalten.
    All meinen Freunden und Bezugspersonen ist gemeinsam, dass sie die Fähigkeit besitzen, hinter meinen offensichtlichen Schwächen den Menschen zu erkennen, der mich ausmacht. Ihnen allen bin ich dankbar dafür, dass sie sich die Mühe machen, hinter Fassaden zu blicken.
    Meine erste richtige Beziehung hatte ich mit einem anderen Medizinstudenten
    In der Schule wunderte ich mich über die mit der Zeit häufiger werdenden Beziehungen zwischen den Mitschülern. Ich konnte nicht nachvollziehen, warum dies relevanter Inhalt von Gesprächen war. Hier wurde mir wieder einmal bewusst, dass ich die Welt um mich herum nicht verstand und dass ich wirklich anders war. Ich hatte keinerlei Vorstellung von Partnerschaft, Liebe und allem, was damit verbunden schien. Bis zum Ende der Schulzeit war für dieses Thema in meinem Leben kein Platz, und auch noch zu Beginn des Studiums fragte ich mich oft, wofür man einen Partner brauchte. Ich konnte nicht nachvollziehen, warum manche Leute für eine Beziehung ihre Ausbildung oder gar ihren Beruf vernachlässigten.
    Als ich am Ende des Grundstudiums ins Studentenwohnheim zog, lernte ich kennen, was es heißt, einen Menschen zu haben, dem man vertraut und mit dem man über bis dahin gehütete Geheimnisse spricht. Nach und nach gewöhnte ich mich daran, auch körperlichen Kontakt zu einem anderen Menschen zu haben. Zum ersten Mal verstand ich, was andere meinten, wenn sie sagten, sie bräuchten einen Menschen. Ich glaube, seither ist mir bewusst, was Zuneigung und vielleicht sogar Liebe ist. Gleichzeitig spürte ich, dass ich damit auch abhängig von einem Menschen wurde, und dieses Gefühl war für mich bedrohlich. Es machte mich verwundbar. Bis heute weigert sich etwas in mir, diese Abhängigkeit zuzulassen. Mit dem bewussten, aber auch erzwungenen Auszug aus demElternhaus während der Schulzeit löste ich mich von der größten Abhängigkeit, die es für ein Kind geben kann, von der zu den eigenen Eltern. Es fällt mir seither sehr schwer, mich von einem anderen Menschen abhängig zu wissen.
    Ich spürte, dass ich mit der Zuneigung auch abhängig von einem Menschen wurde, und dieses Gefühl war für mich

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