Asperger - Leben in zwei Welten
lange wir uns nicht sehen, egal, wie unterschiedlich unsere Lebenswege sich entwickelt haben. Nach allen Erfahrungen, die wir bereits gemeinsam gemacht haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass einer den anderen fallen lieÃe, wenn es ein ernsthaftes Problem gäbe. Auch ich selbst würde jederzeit mein Möglichstes versuchen, würde mich eine dieser Freundinnen um Rat oder Hilfe bitten.
Auch meine Freundin aus Studienzeiten, bei der ich Trauzeugin sein durfte und die mittlerweile zwei süÃe Kinder hat, möchte ich aus meinem Leben nicht mehr wegdenken. Wir sehen uns nicht mehr allzu oft, denn unsere Wege sind nach Beendigung des Studiums sehr unterschiedlich verlaufen. Durch meinen unerfüllten Kinderwunsch fällt es mir manchmal schwer, die Familienidylle bei ihr auszuhalten. Aber wir haben eine langjährige gemeinsame Basis.
Dann gibt es noch eine zweite Gruppe von Freunden. Es sind die, die irgendwie mit mir auf einer emotionalen und kognitiven Wellenlänge liegen.
Dann gibt es noch eine mir sehr wichtige Familie am Wohnort meines Partners, die ich als langjährige Freunde bezeichne. Ursprünglich waren es die Bekannten meines Partners, aber nach zehn Jahren gemeinsamer Erlebnisse haben wir uns trotz zahlreicher Schwierigkeiten und Missverständnisse zusammengerauft. Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, und die Gewohnheit und Sicherheit im Umgang miteinander hat allmählich eine Freundschaft entstehen lassen. Die Tatsache, dass diese Freunde mit ihrer behinderten, aber von allen geliebten Tochter viele Grenzerfahrungen machen, lieà meine Bewunderung für ihr Verhalten und ihren Umgang mit dem Schicksal wachsen. Für viele Situationen sind sie mir Vorbilder geworden, und ich hoffe, noch viel von ihnen lernen zu dürfen. Neben diesen Freunden gibt es noch weitere Menschen, die für mich Bedeutung haben. Es ist eine andere Ebene als Freundschaft, allerdings denke ich, dass aus Bezugspersonen Freunde werden können, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.
Die Sozialarbeiterin im Autismus-Kompetenzzentrum wurde zu meiner wichtigsten Bezugsperson
Zunächst gibt es da meine Ansprechpartnerin im Autismus-Kompetenzzentrum. Bei ihr landete ich zufällig vor etwa einem Jahr, nachdem mein Partner einen Fernsehbericht über eine Autistin gesehen hatte und mir in einer Konfliktsituation an den Kopf warf, Autistin zu sein. Ãber das Internet fand ich die Telefonnummer und führte am gleichen Tag das erste richtige Telefongespräch meines Lebens, von dem ich noch heute beeindruckt bin. Diese mir bis dahin fremde Frau sagte einfach, dass sie für Fragen rund um Autismus zuständig sei, und gab mir Datum, Uhrzeit und Ort für ein persönliches Gespräch. Sie machte diese Angaben ohne zu zögern und ohne unklare Formulierungen zu benutzen. Wir verabschiedetenuns ohne groÃe Floskeln. Direkt nach diesem Telefonat sagte ich zu meinem Freund, dass es ein unnormales Gespräch war. Ich wusste konkret, was ich tun sollte, ohne das sonst übliche stundenlange Nachdenken und Zweifeln. Irgendwie ahnte ich, dass dies mein Leben verändern sollte. Diese Frau verhalf mir nicht nur zu einer offiziellen Diagnose, sondern sie wurde im vergangenen Jahr zu meiner wichtigsten Bezugsperson. Das funktionierte nur deshalb, weil sie unkonventionelle Wege und Methoden zulieÃ, wofür ich ihr unendlich dankbar bin. Mir war es nicht möglich, die vorgegebenen Termine ohne konkrete Themen in den mich verunsichernden dunklen Räumen des Zentrums mit der schrecklich knatternden Heizung und dem sich ständig einschaltenden Anrufbeantworter wahrzunehmen. Stattdessen durfte ich Fragestellungen in schriftlicher Form abgeben. Zusätzlich fanden wir einen Weg der verbalen Kommunikation. Wir trafen uns auÃerhalb des Zentrums zum Radfahren oder Spazierengehen, und dabei hatte ich die Möglichkeit, mir wichtige Themen anzusprechen. Mir wurde bald bewusst, dass dies nicht wirklich der Job dieser besonderen Sozialarbeiterin war, denn eigentlich waren eher Tätigkeiten wie das Ausfüllen von Formularen für Behörden oder die Organisation bestimmter HilfsmaÃnahmen vorgesehen.
Ich wusste, was ich tun sollte, ohne Nachdenken und Zweifeln.
Dies zeigt, dass angebotene offizielle Hilfen zwar gut gemeint, aber häufig nicht relevant für den Betroffenen sind. Vielmehr war es für mich nach der Autismusdiagnose wichtig, Antworten auf einen Teil
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