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Asperger - Leben in zwei Welten

Asperger - Leben in zwei Welten

Titel: Asperger - Leben in zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Preißmann
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aber vermutlich noch einiger Zeit der Aufarbeitung.
    Es bleibt weiterhin eine Herausforderung, innerhalb einer Familie mit differenten Wahrnehmungen und Kommunikationsformen umzugehen, und ich bin neugierig, wie es weitergeht. Ich bin sehr dankbar dafür, diese Schwester zu haben, obwohl mir viele ihrer Verhaltensweisen immer ein Rätsel bleiben werden.
    Freunde – ich hatte immer Menschen, die für mich da waren
    Als Freunde würde ich Menschen bezeichnen, die mich so nehmen, wie ich bin. Ich hatte bisher das Glück, dass es immer Menschen gab, die für mich da waren, mich ernst nahmen und mir das Gefühl gaben, nicht ganz allein auf dieser fremden Welt zu sein. Somit möchte ich sagen, dass ich immer Freunde hatte.
    Aus heutiger Sicht kann ich meine Freunde in zwei Gruppen einteilen. Es gibt die eine Gruppe, die, wenn man es streng nimmt, einen rein organisatorischen Zweck erfüllt. Das sind Menschen, die sich durch Fähigkeiten auszeichnen, die ich nicht besitze. Dadurch war es mir möglich, notwendige Kompetenzen zu erlernen, um selbst zu existieren. Am Ende konnte ich in diesen Bereichen dann selbstständig entscheiden und handeln. Nun stellt sich die Frage, ob ich diese Menschen vielleicht nur benutzt oder gar ausgenutzt habe? Oder war es vielmehr ein gegenseitiges Geben und Nehmen? Denn meine Freunde profitiertendurchaus auch von manchen meiner Fähigkeiten. Ich hoffe, dass dies meist der Fall war, denn ich möchte nicht mit dem Vorwurf leben müssen, meine Freunde nur benutzt zu haben.
    Eine Gruppe von Freunden erfüllte, streng genommen, rein organisatorische Zwecke. Sie ermöglichten mir ein Überleben in meinem Chaos.
    Zu dieser Gruppe zähle ich auch diejenigen Menschen, die mir ein Überleben in meinem Chaos ermöglichten. Ob es die Familien meiner Volleyballkolleginnen waren, die mir Obdach gewährten, mich mit Essen und Transporten von einem Ort zum anderen unterstützten, oder die Deutschlehrerin, die mir anstelle meiner Eltern eine Befreiung vom Schulsport schrieb, als ich eine Beinverletzung hatte und nicht weiter wusste: Es waren all die inoffiziellen Lösungen, die gefunden wurden, denn eine offizielle und korrekte war mangels Kenntnis des Autismus und seiner Folgen nicht möglich. Ohne all diese Menschen und ihre kreativen Lösungen hätte ich keine Chance gehabt, dieses Leben in einer mir nicht verständlichen Welt mit meinen ungewöhnlichen Problemen zu meistern. Ich bin sehr dankbar für alles, was diese Menschen aus Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein oder einfach deswegen, weil sie mich mochten, für mich getan haben. Ohne sie wäre ich nie an der heutigen Stelle angekommen.
    Dann gibt es noch eine zweite Gruppe von Freunden. Es sind die, die irgendwie mit mir auf einer emotionalen und kognitiven Wellenlänge liegen. Diejenigen Menschen, die es immer gab und mit denen ich stundenlange konstruktive und bereichernde Gespräche führen konnte. Über Themen, die vielleicht verrückt oder daneben waren. An Orten, die möglicherweise unpassend wirkten (zum Beispiel mit einem Kommilitonen sonntagelang in einem Fastfood-Restaurant). All dies in einer Form, in der ich ich selbst sein konnte, ohne Schauspielern, ohne Verkleiden, ohne Verstecken. Es tat mir gut, einfach nur meinen Gedanken freien Lauf lassen zu können und ein Gegenüber zu haben, das mich verstand und sogar mitredete und eigene Argumente fand. Am Ende stand das Gefühl, vorangekommen und ernst genommen worden zu sein. Das waren die Stunden, in denen die fremde Welt weniger fremd erschien und die unverständliche Sprache plötzlich verstehbar wurde. Das Chaos war geordnet – zumindest für eine gewisse Zeit. Insgesamt gesehen waren diese Momente sehr selten, aber es gab sie und sie führten dazu, dass ich meine oft bedenklich leeren Akkus wieder aufladen konnte. Manchmal durfte ich diese schönen Zeiten mit wirklichen Freunden erleben, meist aber waren es einfach zufällige Begegnungen, die oft so beeindruckend waren, dass sich daraus langjährige Kontakte entwickelten.
    Es ist sehr schwierig, den Begriff Freund genau zu definieren. Ich würde sagen, dass sich aus beiden der genannten Gruppen ein paar Leute herauskristallisiert haben, mit denen ich echte Freundschaften pflege. Es gibt drei Mädels aus meiner ehemaligen Volleyballmannschaft, bei denen ich mir sicher bin, dass sieimmer für mich da sein werden. Egal, wie

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