Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
dass du kommen würdest.« Der Kleine grinste, dass seine Backen dick wurden und seine Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten. »Er mag dich sehr.« Er kicherte, fing sich aber sofort wieder und räusperte sich. »Entschuldigung, aber manchmal geht das Kind mit mir durch. Nun gut, was hast du jetzt vor?« Er sah Ari neugierig an und erkannte die Verwirrung, die sie ausstrahlte. Er seufzte. »Die Zeit drängt zwar, aber vielleicht sollten wir uns tatsächlich etwas Zeit nehmen, um uns kennenzulernen.« Er ging vor dem Feuer in die Hocke und stocherte mit der Begeisterung eines Kindes in der Glut herum. Funken stoben in alle Richtungen und er kicherte wieder. Mit einer Geste lud er Ari ein, sich zu ihm zu setzen. Diese tat, wie ihr geheißen. Misstrauisch ließ sie das Kind nicht aus den Augen. Sie war angespannt und ihre Hände behielt sie in Reichweite ihrer Handarmbrüste.
Der Knirps sah zu ihr auf und forderte sie mit einem Nicken auf, das Gespräch zu eröffnen. Ari überlegte kurz und begann sich vorzustellen. »Ich bin Ari Schattenherz. Die wahrscheinlich Letzte meines Volkes. Ich bin … war … eine Schwester der Rubinfalken. Mandrax stellte mich vor die Wahl, die Menschheit zu vernichten oder einen anderen Weg zu suchen. Im Felsendom sah ich ein Bild, das mir die Augen öffnete und ich wählte …« Sie hieltinne und fragte sich im Stillen, warum sie alles so unbesorgt preisgab. Sie kannte dieses »Wesen«, das da am Feuer saß, überhaupt nicht und vielleicht war das Ganze sogar eine Falle! Mandrax hatte ihr keine Anhaltspunkte über seinen Freund gegeben. Sie entschloss sich zur Vorsicht und spannte ihren Körper für den Fall, dass sie angegriffen wurde. Besorgt und unauffällig ließ sie ihren Blick über die nähere Umgebung schweifen. Als Ari nicht fortfuhr, unterbrach der Kleine sein Spiel mit der Glut und sah zu ihr auf.
»Gut gemacht, du hast dich eines Besseren besonnen. Ich dachte schon, du hörst nie auf, einem Fremden dein gesamtes Leben zu erzählen. Aber tröste dich, du bist besser als die meisten anderen, die ich bisher traf. Die Mehrheit plaudert nach ein paar schönen Worten einfach aus dem Nähkästchen. Das ist nicht gut. – Aber nun möchte ich dir beweisen, dass ich der bin, den du suchst. Mein Name ist Konrad. Ich bin zehn Jahre alt und lebe hier alleine in den Mangrovensümpfen. Geboren wurde ich in der Kaiserstadt, als achter Sohn einer mittellosen Familie. Das hier ist aber nur mein jetziges Leben. Ich existiere fast seit Anbeginn der Zeiten. In meinem ersten Leben war ich einer derer, die du die Altehrwürdigen nennst. Es folgten so ziemlich alle Völker, Rassen und Geschlechter. Auch die Lebenserfahrung einiger Tierarten kann ich mein Eigen nennen.
Aber zurück zum Anfang. Während meines ersten Lebens als Drache wurde Tiro von einem großen Felsbrocken getroffen, der vom Himmel fiel. Er zersplitterte in tausend Stücke. Ich war schon immer viel zu neugierig, so sammelte ich die seltsam schimmernden Steine und trug sie in meinen Hort. Sie faszinierten mich. Alle Farben, die ich kannte, aber auch neue erschlossen sich mir, wann immer ich die Steine ansah. Manchmal schienen sie zwar fest und hart zu sein, dann aber auch wieder nicht, denn sie änderten hin und wieder ihre Form. Alle paar Stunden verflüssigten sie sich, nur um sich dann wieder in etwas Neues zu verwandeln. Ich experimentierte mit ihnen und kam über viele Winter auch mit dem flüssigen Material in Kontakt. Dabei sickerte es durch meine Haut in mein Blut. Damals wusste ich noch nicht, dass dieses Vorkommnis zu einem Fluch und gleichzeitig mein größter Segen werden würde. Ich absorbierte immer mehr des fremdartigen Gesteins und merkte nicht, dass ich mich langsam selbst vergiftete. Als mir bewusst wurde, was geschah, war es bereits zu spät und ich starb. Aber es geschah das Unfassbare: Ich wurde, wie die meisten Wesen, wiedergeboren. Nur konnte ich mich an alles erinnern, was ich als Drache erlebt hatte. An jedes Detail, sogar Gerüche, Gefühle und Geräusche.
Die Zeit ging dahin und ich schlüpfte in viele Körper. Mein Wissen mehrte sich und ich fühlte mich zunächst wahrhaft gesegnet. Aber nach Hunderttausenden von Leben hatte ich alles gesehen, was es zu sehen gab, und ich wurde der Welt und ihrer Bewohner mit ihren kleinen Machtspielchen und Intrigenüberdrüssig. Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen und zog hierher in die Sümpfe. Immer wenn ich starb und wiedergeboren wurde, kam ich hierher
Weitere Kostenlose Bücher