Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
zuerst ein Dolch, dessen schwarze Klinge gewellt und leicht gebogen war. Er sah sehr schlicht aus. Das schmale Heft war ebenfalls schwarz. Der Dolchgriff hingegen war mit einem seltsamen Leder umwickelt, das die Farbe immer wieder zu ändern schien. Während er den zweiten Gegenstand aus dem Tuch nahm, sprach er feierlich: »Nimm sie beide. Ich schenke sie dir. Auch ich übte mehr als nur einmal denBeruf des Assassinen aus, und von diesen beiden Schätzen konnte ich mich nie richtig trennen. Sie sind etwas Besonderes und einem Attentäter mehr als nur ein Handwerkszeug. Der Dolch wurde aus dem Metall eines Sterns gefertigt, der einst vom Himmel fiel. Er ist unzerbrechlich. Der Griff ist mit dem Leder eines Regenbogendrachens umwickelt. Es wird niemals schlüpfrig und bietet dir immer sicheren Halt, selbst wenn du Schmierseife an den Händen hast. Aber das Prunkstück und die Krone der Waffen für das heimliche Morden ist das hier.« Konrad hielt der reglos dasitzenden Dunklen den Dolch mit der linken Hand entgegen und mit der rechten eine lange, sehr schmale Klinge ohne Griff, in deren Mitte ein Kanal verlief. Eine Schiene mit zwei Lederriemen gehörte zu dem seltsamen Ding. Der Kindliche erklärte, dass man die Waffe am Unterarm befestigte und die Klinge mit reiner Gedankenkraft hervorschnellen lassen konnte. Allerdings nur, wenn sie ihren Träger »mochte«, denn das gute Stück besaß ein merkwürdiges Eigenleben. Er hatte sie einst in den Ruinen einer versunkenen Stadt weit im Osten gefunden und Monate gebraucht, bis sie ihn akzeptierte und ihm vollends gehorchte. »Sie erkennt einen wahren Assassinen. Sie wird nur den Besten dienen, und es kann sein, dass sie zu dir spricht, wenn sie dir genug vertraut. Das Material, aus dem sie gemacht ist, ist völlig unbekannt und kein Alchemist konnte mir bisher sagen, was es ist. Es ist nicht verformbar.«
Ari konnte vor Staunen gar nicht nach den Waffen greifen. Der Kindliche hielt sie ihr immer noch vor die Nase, grinste breit und ein listiges Funkeln trat in seine Augen. Mit leiserer Stimme fuhr er fort: »Aber das Beste an ihr ist, dass sie ein absolut tödliches und schnell wirkendes Gift in sich trägt, das niemals zur Neige geht. Es läuft den kleinen Kanal hinunter, wenn du es wünschst. Ja, du hast richtig gehört: Der Träger kann entscheiden, ob das Toxin die Klinge benetzt oder nicht, je nachdem, ob du noch mit deinem Opfer reden möchtest.« Ehe Ari sich versah, befestigte er schon die Apparatur an ihrem Unterarm. Sie fühlte sich seltsam warm an. Konrad betrachtete die Assassine mit unverhohlener Neugier, als wachse gleich ein zweiter Kopf aus ihrer Schulter. »Streck deinen Arm aus und stell dir vor, wie die Klinge herausschnellt«, sagte er in einem aufgeregten Tonfall und leckte sich dabei nervös über die Lippen.
Ari tat, wie ihr geheißen, und begann etwas unsicher einen Monolog in ihren Gedanken. Sie kam sich allerdings ziemlich lächerlich dabei vor. »Gut, ich bin Ari Schattenherz und eine Assassine aus dem Volk der Enrai. Du wurdest mir zum Geschenk gemacht und wir beide sollten in Zukunft gut miteinander auskommen.« Nichts geschah. Mit einem Mal sprang Konrad auf und schleuderte seine leere Schüssel nach der Dunklen, die völlig überrascht den Arm automatisch zur Abwehr hob. Kurz bevor die Schüssel auftraf, schnelltedie Klinge mit unglaublicher Geschwindigkeit aus ihrem Versteck im Ärmel und teilte das Holzgefäß in zwei Hälften.
Konrad hob sofort beschwichtigend die Arme. »Man muss ihr manchmal auf die Sprünge helfen«, sagte er nun mit einem noch breiteren Grinsen. »Aber sie scheint dich zu mögen. Freundet euch an. Ich denke schon, dass sie mit dir zusammenarbeiten wird, ansonsten hätte sie gerade anders reagiert. Und nun geh. Es wird Zeit.« Konrad drückte Ari noch den Dolch in die Hand und schob sie regelrecht aus der Hütte. Sie zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen, als sie von hinten noch einmal Konrads Kinderstimme hörte. »Und pass auf dich auf! Ich habe mich an dich gewöhnt und … mag dich.« Die Tür der Hütte knallte zu. Ohne eine Antwort abzuwarten, war er wieder hineingegangen.
Ari lächelte, denn sie mochte den kleinen, besserwisserischen Wirbelwind auch. Sie rief Mirx zu sich und gab ihm den Auftrag, ein Auge auf den Kleinen zu haben. Dieser schrumpfte wieder auf Miniaturgröße und flog in das unförmige Fenster der Bretterbude. Mit langen, schnellen Schritten verschwand die Assassine zwischen den
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