Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
aufgefrischt und trieb den feinen Sand vor sich her. Vertrocknetes Gestrüpp, das sich aus dem Boden gelöst hatte, wurde von ihm über die Ebene getrieben. Die Umgebung war so trostlos, wie Ari sich fühlte. Sie sah wieder zu ihren ungleichen Verbündeten. »Gut. Ich werde es tun, auch wenn es mein Ende bedeuten könnte. Nur wenigen Assassinen ist es je gelungen, den obersten Führer eines Volkes zu beseitigen.«
Ihre Gegenüber sahen sie nur wortlos an und Mandrax nickte kaum merklich. Schließlich meinte Narrond: »Du wirst genügend Zeit haben, dich vorzubereiten, denn das Heer des Ordens muss über Land ziehen. Wir können die kurzen Wege durch die anderen Dimensionen nicht mehr gehen. Es ist zu gefährlich geworden.«
Mandrax sah nachdenklich aus. »Ari, hast du noch eine Frage an uns, bevor sich unsere Wege für lange Zeit trennen?«
Wie ein Bolzen aus einer Armbrust schoss es aus ihr heraus: »Was ist das hier für ein Ort? Keiner hat je von einem Tal oder einer Ebene wie dieser berichtet, in der gewaltige Türme ohne erkennbaren Sinn stehen!«
Der alte Mann lachte und das Mädchen kicherte mit, dabei hielt es sich seinekleine Hand vor den Mund. »Das hier ist Torgadt, das ehemalige Zentrum und der Versammlungsort der Altehrwürdigen«, sprach Mandrax bedächtig. »Früher war das hier eine blühende Landschaft. Wir Drachen trafen uns einst hier, als die Zeit und das Land noch jung waren, und saßen auf den Spitzen der Türme, um Rat zu halten. Hier lösten wir uns auch von Narrond, aber uns wurde schnell klar, dass es ein Fehler gewesen war, sich der schlechten Seiten völlig zu entledigen. Das Land verdorrte und wir konnten nichts dagegen tun. Freilich wären wir ausgestorben, aber das hätten wir akzeptieren müssen. Wir dachten, wir wären die wichtigsten Geschöpfe, und deshalb wollten wir unser Schicksal betrügen. Das Land spürte den Frevel und litt als Erstes darunter – es starb.«
Mandrax sah Narrond an: »Kannst du uns verzeihen, dass wir dich verstoßen haben? Es war ein großes Unrecht, dich fortzuschicken. Du warst und bist ein Teil von uns.« Das kleine Mädchen starrte nur wortlos in das Gesicht des letzten Altehrwürdigen, der mit leiser, aber fester Stimme fortfuhr: »Ich bitte dich um Vergebung und lade dich ein, wieder in deine Heimat zurückzukehren.« Narrond sagte immer noch nichts, trat aber vor und breitete die Arme aus. Mandrax schloss sie in die seinen und hob die Kleine hoch. Ein Kranz aus rötlichem Licht umrahmte beide, dessen Ränder hin und wieder grün aufblitzten. Das Strahlen wurde intensiver und ein monotoner Summton war zu hören.
Ari musste sich abwenden. Die Helligkeit wurde unerträglich. Sie schlug die Hände schützend vors Gesicht, als es mit einem Mal absolut still wurde. Nichts war mehr zu hören und auch das Licht war verloschen. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen. Was sie nun sah, raubte ihr fast den Atem. Die wüste Ebene war verschwunden und auch die Strahlen der Sonne brannten nicht mehr so heiß. Vielmehr war es nun ein angenehmes Kribbeln auf der Haut. Wo sie hinsah, erblickte sie Gras und vereinzelte Drachenbäume. Sie nahm den süßlichen Duft tausender Blüten wahr, die auf den Wiesen wuchsen. Ihr Blick blieb an einem der majestätischen Bäume hängen. Die Schuppen am Stamm leuchteten in einem intensiven Rot, nicht dem tristen Grau, wie sie es kannte. An den Enden der Äste waren jeweils drei krallenartige Auswüchse zu erkennen, die in ihrer Anordnung stark an eine Drachenklaue erinnerten. Sie riss die Augen weit auf und eine Gänsehaut lief ihr über den Körper: In der Baumkrone war eine einzige Knospe zu sehen! Keiner hatte je eine zu Gesicht bekommen, man dachte allgemein, sie könnten gar nicht blühen. Die Knospe war gut faustgroß und lief nach oben hin spitz zu. Die äußere Schale schien aus grauen Schuppen zu bestehen, die Form erinnerte entfernt an einen Drachenkopf.
Mit einem Mal stockte Ari der Atem. Wie auf einen nicht hörbaren Befehlhin öffnete sich die Knospe. Die Blüte erinnerte an eine perfekte Rose mit vielen Blättern, keines davon war wie das andere. Sie leuchtete pulsierend in den Farben des Regenbogens. Durch den beständigen Wechsel der Schattierungen entstand die Illusion eines Eigenlebens. Ari fühlte sich, als ob sie gerade Zeugin eines Wunders geworden wäre. Dann war alles plötzlich vorbei – die Blume schloss sich wieder. Doch noch etwas geschah. Ein Knoten unterhalb der geschlossenen Blüte schwoll an und
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