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Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)

Titel: Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wunder
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verdrängte diese. Die Kelchblätter fielen ab und trudelten langsam zu Boden. Die Verdickung wuchs zusehends und blähte sich auf. Als die Frucht die Größe einer Wassermelone erreicht hatte, endete ihr Wachstum. Einige Augenblicke geschah nichts, dann begann sie, in schneller Abfolge ihre Farbe zu wechseln, bis sie schließlich ein grelles Rot annahm. Da lief ein feiner Riss über die Schale und sie platzte auf. Der obere Teil wurde förmlich weggerissen und nur der untere blieb noch an dem Baum. Weißes Fruchtfleisch spritzte nach allen Seiten. Etwas regte sich in den Überresten der Drachenbaumfrucht. Ein Quieken war zu hören und in den Schalenresten wurde es lebhaft. Ein kleiner, länglicher Kopf schob sich über die gezackten Ränder, kleine Klauen folgten. Ari machte einige Schritte auf den Baum zu, um besser sehen zu können, denn sie traute ihren Augen kaum. Aber sie täuschte sich nicht! Ein kleiner Drache saß da und starrte sie mit großen, bernsteinfarbenen Augen an. Er fauchte und quiekte vor sich hin, dann kletterte er auf die Kante der Schale und stieß sich mit seinen dürren Beinchen in die Luft. Die dünnen Flugmembranen entfalteten sich und er drehte eine Runde um den Baum, dann schraubte er sich immer höher in den Himmel.
    Aris Blick folgte ihm, bis er nicht mehr zu sehen war. Nun nahm sie auch die Türme wahr, die wieder im alten Glanz erstrahlten. Die Bauten standen alle wieder aufrecht da. Ihre Pracht stellte alles, was die Enrai bis dahin gesehen hatte, in den Schatten. Bilder von Drachen und Wesen, die es in ihrem Tiro längst nicht mehr gab, waren auf filigranen Edelsteinmosaiken zu erkennen. Beschläge aus Gold und Silber rahmten die Szenen ein oder formten eigenständige Bilder. Große Diamanten in allen Farben und Facetten schmückten die Drachen auf den Mosaiken. Es war einfach wunderschön und berührte Ari tief in ihrem Innersten. – Ein mächtiges Brüllen ließ sie ihre Aufmerksamkeit nach oben richten. Auf den Spitzen saßen unzählige ausgewachsene Drachen. Ihre Formen und Muster waren äußerst unterschiedlich, auch das Aussehen der Köpfe variierte. Manche waren lang und schmal, andere breit und klobig. Es war ein majestätischer Anblick, so viele dieser stolzen Kreaturen zu beobachten. Ari sah dem Treiben der Drachen wortlos und staunend zu, ein aufgeregtes Kribbeln lief durch ihren ganzen Körper. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen, aus Angst, der Traum könnte enden.
    Mandrax’ Stimme hallte durch ihre Gedanken. Sie klang verändert; kraftvoller und rauer als zuvor. »Ich danke dir, Ari Schattenherz. Du und deine Freunde haben mich wiedererweckt und es möglich gemacht, die Fehler, die mein Volk in der Vergangenheit beging, zu korrigieren. Dieser Blick in vergangene, glücklichere Tage sei mein Geschenk an dich. Es soll dich begleiten und dir in dunklen Tagen Trost spenden. Die Altehrwürdigen sind lange fort und auch ich werde bald gehen müssen. Aber wisse, wir waren die Ersten, die Tiro sehen durften und geholfen haben, es zu formen. In allem und jedem steckt ein Teil von uns. Nur unsere Körper werden zu Staub, aber unsere Seelen – unsere Essenz – werden für immer hier bleiben und über das Geschick der Völker Tiros wachen. Wir werden erst gänzlich sterben, wenn keiner mehr unsere Namen ausspricht oder man aufhört zu glauben, dass es uns je gab. Vergiss das nie, tapfere Assassine.« Die Stimme verhallte in Aris Kopf. Tränen standen in ihren Augen. Ihr waren heute große Wunder zuteil geworden. Sie hatte die Geburt eines Altehrwürdigen miterlebt und die Seele eines Drachen berührt.
    Die Dunkle schlug die Augen auf. Der Geruch nach kaltem Rauch biss in ihrer Nase und die Knochen taten ihr weh. Im Sitzen zu schlafen, war nicht gerade bequem, aber erstaunlicherweise fühlte sie sich frisch und ausgeruht. Von außerhalb der kleinen Hütte hörte sie Gelächter. Auch Mirx’ Rufe mischten sich darunter. Sie stemmte sich hoch und verließ die enge Behausung. Konrad und das kleine Mädchen, das ihr gefolgt war, spielten Fangen mit Mirx, der in seiner kleinen Gestalt wild zwischen den beiden hin und her flatterte. Als sie Ari sahen, kamen sie auf sie zugelaufen. Konrad klopfte sich den Dreck von der Kleidung, setzte einen erwachsenen Gesichtsausdruck auf und räusperte sich. Der Falke ließ sich auf ihrer Schulter nieder und knabberte an ihrem Ohrläppchen. Die Kleine starrte Ari ängstlich an. Eine unangenehme Stille entstand. Der Seelenwanderer beendete sie,

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