Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
könnte. Mein Volk zog sich zurück und vegetierte von da an in Wahnsinn und Wut dahin. Auch heute noch warten viele nur auf die nächste Gelegenheit, ihre Machtpläne zu verwirklichen.«
Er blickte seiner Gattin tief in die bezaubernden Augen und ein altes, vertrautes Gefühl kam in ihm hoch. Die alte Liebe brannte noch immer in ihm, nur war sie unter der Asche der Jahrhunderte versteckt gewesen. Er kämpfte die Gefühle nieder und erhob sich. Seine nächsten Worte sprach er mit Nachdruck. »Die Wahrheit ist: Auch ich war in dieser Schlacht dabei und kämpfte wie ein Teufel. Ich war von Machthunger und Gier zerfressen und wollte immer besser sein als andere. Ich hätte meine eigenen Kinder getötet, wenn mich das an die Spitze der Vampirimperiums gebracht hätte. Doch in jener Nacht des Blutvergießens berührte mich Mandrax’ Geist und mein Leben veränderte sich. Innerhalb nur eines Wimpernschlags öffnete er mir die Augenund zeigte mir, was im Leben wie auch im Tod wirklich wichtig war. Kurz darauf verließ ich das Imperium und schloss mich den Rubinfalken an. – Das ist die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit. Ich bin erleichtert, dass diese Last nun nicht mehr auf meiner Seele ruht.«
Rugor ging um den Tisch herum und stellte sich direkt vor seine Frau. Ihr Duft war berauschend. Weibliche Vampire konnten ihn absondern, um ein Feuer der Extase in ihrer Umgebung zu entfachen. Rugor lächelte wissend und unterdrückte die Lust, die in ihm aufstieg: »Das funktioniert nicht mehr. Versuche es lieber bei den weniger Willensstarken, sie werden sich leichter täuschen lassen als ich.« Der betörende Geruch verschwand schlagartig, für einen Augenblick flammte Wut in den Augen der Baronin auf und ein Schatten fegte über ihr Gesicht. Aber sie beherrschte sich und schwieg weiterhin.
»Was genau willst du hier, Felicitas?«, fragte Rugor nun geradeheraus.
Sofort setzte sie wieder ihre schöne Maske auf, hinter der sich die Vampire so gerne verbargen, und ihre Züge glätteten sich. »Ich bin hier mit fünfhundert der besten Adeligen und Ritter, die unser Volk aufzubieten hat, und mit zehntausend Stück Vieh. Es kämpft zwar nicht gut, aber sie erfüllen ihren Zweck, damit die Ritter unbeschadet zum Feind gelangen. Wir sind gekommen, um euch in eurem Vorhaben zu unterstützen. Unsere Alten heißen die Unternehmung gut, also haben sie mich geschickt.« Ohne auf eine Erwiderung zu warten fuhr sie fort, da sie den Unglauben in Rugors Gesicht sehen konnte: »Keine Angst, mein Liebster, wir sind nicht plötzlich zu Heiligen – wie du – geworden. Nur: Wenn Anzbacher Tiro unterjocht, wird es früher oder später nur noch Dämonen geben und deren Blut vertragen wir nicht. Sie werden unser Vieh töten und damit langsam auch uns. Deshalb sind wir hier und aus keinem anderen Grund.«
Der Baron sah ihr noch lange in die Augen, konnte aber keine Lüge darin entdecken. Er blickte zu Eriel hinüber, der langsam nickte. Auch Wolfgar war bereit und die Frostelfen hatten sich unauffällig im Raum verteilt. Von der Antwort auf seine nächste Frage hing Tod oder Leben ab. Er ließ sich Zeit und betrachtete seine Gattin ein letztes Mal eingehend. »Was bedeutet den Alten Tiro?«
Die schöne Vampirin war sichtlich überrascht ob der unerwarteten Frage. Sie überlegte kurz und antwortete dann leise, damit nur Rugor sie verstehen konnte: »Tiro ist unsere Heimat, unsere Mutter. Sie ernährt uns und unser Vieh und schützt uns durch das Land vor äußeren Einflüssen. Sie lässt den Schwarzholzwald wachsen und sich ausbreiten und behütet uns somit. Wir sind ihr dankbar und werden sie verteidigen, bis auf unseren letzten schwarzen Blutstropfen. Rugor, wir mögen anderer Meinung sein in Bezug auf die Form der Beherrschung oder den Umgang mit Vieh, aber eines haben wirnicht vergessen: Wo wir herkommen und wem unsere Treue und unser Dank gelten.«
Rugor war noch nicht überzeugt. »Denkst auch du so, oder waren das nur die diplomatischen Worte der Alten?«
Echte Enttäuschung spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider. »Du hast mich einmal geliebt und weißt, wie ich darüber denke. Wir haben gemeinsam die Menschen gejagt und gepfählt, die den Wald roden wollten, wir haben die Zwerge vernichtet, die Stollen in unsere Gebirge getrieben haben, um sie ihrer Erze zu berauben, und noch viele mehr dieser Frevel haben wir vereitelt, um unser Land und damit Tiro zu schützen. Ich mag wie alle unserer Artgenossen grausam und exzentrisch
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