Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
Straßen der Stadt ging. Der Zufall wollte es, dass sie am Eingang zu einer Seitenstraße wieder einen der unheiligen Krieger sah, wie er mit gesenktem Haupt einfach nur dastand. Das seltsame Geräusch lag wieder in der Luft, nur dass es diesmal mehr ein Summen war. Die Enrai erinnerte sich an einen kleinen Trick, den ihr Eriel während einer Rast beigebracht hatte. Da sie magiebegabt war, konnte sie auch Zauber in einem gewissen Maße wirken und die mystischen Netze der Magier ansatzweise erspüren. Die großen Zauberer konnten diese sehen und, wenn sie mächtig waren, auch verändern, sodass sie den gegnerischen Spruchweber daran hindern konnten, seine Formel zu vollenden. Doch so mächtig würde sie wohl nie, dachte sie. Die Dunkle ging etwas näher an das Geschehen heran, um auch noch die zu sehen, die gerade wieder etwas Schlechtes im Sinn hatten. Zwei Schläger bearbeiteten einen alten Mann, der bereits stark am Kopf blutete. Ein schlanker junger Mann in edlen Gewändern stand mit verschränkten Armen breitbeinig dabei und grinste nur. Ari konzentrierte sich – und tatsächlich, sie nahm einen Schatten wahr. Er sah aus wie ein dunkles, transparentes Band, das zwischen dem Dämonenritter und dem Edelmann gespannt war. Immer wenn dem Alten ein Tritt versetzt wurde, juchzte der schmierige Aristokrat und eine violett leuchtende Kugel der magischen Dimension verließ seinen Schädel und flog auf den Dämon zu. Nach einer Weile pfiff der Adlige seine beiden Schergen zurück, knallte dem Alten noch einige Drohungen und Beleidigungen an den Kopf und verschwand dann in der Menge. Das Band verschwand im selben Moment. Der Ritter erwachte wie aus Trance und ging mit steif wirkenden Bewegungen wieder auf seinen Posten.
Das war der Beweis, nach dem Ari gesucht hatte: Die Ritter ernährten sich von den schlechten Gefühlen der Lebenden! Nachdem die Gaffer wieder ihrer Wege gegangen waren, eilte die Enrai zu dem geschundenen Alten und half ihm auf. Sie beschrieb ihm den Weg, wie er am besten das Wirtshaus »Zum Paradies« erreichte, und drückte ihm noch eine Kupfermünze in die Hand. Der Greis bedankte sich, gab Ari aber zu verstehen, dass er von dieser Zuflucht schon wusste. »Jeder Bedürftige kennt das ›Paradies‹, und glaubemir, meine Tochter: Die Mauern können einfallen und Horden von Dämonen über die Stadt herfallen, das ist den Armen alles egal, nur das ›Paradies‹ werden sie mit ihrem Leben zu verteidigen wissen. Es ist ein Ort der Hoffnung und der Zuversicht für uns. Schade nur, dass niemand den wahren Besitzer kennt. Das Kind und der Zwerg sind es jedenfalls nicht. Wir alle möchten ihm so gerne dafür danken, was er alles für uns tut.«
Ari zog die Augenbrauen hoch und war tief berührt. Sie räusperte sich: »Nun ja, auch ich würde dem guten Menschen gerne meine Aufwartung machen, aber niemand weiß, wo er steckt. – Mit Verlaub, ich sehe, du bist Köhler. Deine Rußflecken und schwarzen Hände verraten das. Das heißt, du arbeitest außerhalb der Stadt. Kannst du mir sagen, was im Moment da draußen vor sich geht?«
Der Alte zeigte ein zahnloses Lächeln und wischte sich den Dreck der Gosse von der Wange. Er drehte sich zur Seite und spuckte einen blutigen Schleimklumpen aus. »Du bist eine Dunkle.«
Ari zuckte innerlich zusammen, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. »Woher willst du das wissen?«
»Deine Augen. Diese Farbe haben nur die Dunklen. Ich muss es wissen, denn ich habe als junger Mann in Hardak gegen sie gekämpft.« Ein trauriger Schatten legte sich über sein wettergegerbtes Gesicht. »Ich bin nicht stolz darauf, aber wir mussten es tun, ich war Speerträger in der kaiserlichen Garde und unser Gebieter befahl uns, dieses Volk auszulöschen. Sie seien Dämonen, die den Frieden Tiros störten und deshalb bestraft werden mussten, wurde uns damals gesagt.« Er schüttelte langsam den Kopf und fing an zu weinen. »Wir wurden betrogen! Alles, woran wir geglaubt haben, war eine Lüge. Unser Regiment wurde nach der Schlacht, die keine war, weil Untote sie für uns schlugen, aufgelöst. Einige von uns hatten erkannt, dass der neue Fürst Anzbacher und der Kaiser nur Böses im Sinn hatten. Wir wehrten uns und verweigerten Befehle. Ich bin davongelaufen, und das keinen Moment zu früh, denn viele meiner Kameraden wurden von den Rittern, die mit Anzbacher kamen, einfach erschlagen.« Seine nächsten Worte erstickten in unstillbarem Wimmern und dem Flehen um Vergebung.
Ari legte
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