Assassine - Hüterin des Drachenbaums (German Edition)
einen Arm um den Alten und flüsterte ihm einige tröstende Worte ins Ohr. Er nickte und wandte sich zum Gehen, als er sich der Frage seiner Helferin entsann. »Draußen habe ich Soldaten gesehen, die in kleinen Gruppen um die Stadt schleichen, aber das ist bereits ein paar Tage her. Ich kann dir nur sagen, dass sie nicht zum Kaiser gehören. Ihre Farben waren fremdartig und ich denke, dass es sogar Elfen gewesen sein könnten. Sollten sie die Vorhut eines Heeres sein, dass die Kaiserstadt schleifen will, dann bitte ich die Götter, es schnell geschehen zu lassen, denn wir haben es nicht verdient, nochlänger in Tiro zu verweilen. Wir Menschen haben unser Ziel aus den Augen verloren. Nur noch Maßlosigkeit und Habgier treiben uns vorwärts. Wir zerstören mehr, als wir erschaffen, und töten da, wo wir beschützen sollten. Nur leider erkennt niemand, dass das, was viele als den Fortschritt bezeichnen, uns selbst daran hindert, uns wirklich weiterzuentwickeln. Aber auf einen alten Köhler hört eh niemand, und wenn unser Leben in einigen Tagen enden soll, dann ist es eben so.«
Ari legte auch ihren zweiten Arm um den gebrochenen Greis und raunte ihm zu: »Verzage nicht und schöpfe neuen Mut. Die Schuldigen werden bestraft und die Reuigen werden die Chance bekommen, ihre Zukunft besser zu gestalten. Geh nun ins ›Paradies‹. Dort wird jeder Mann gebraucht. Gib deinen Freunden Bescheid, dass sie sich dort sammeln. Es wird der Zyklus kommen, in dem ihr das Joch des Kaisers und Anzbachers abwerft, um euer Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen.«
Ein Funke der Hoffnung glomm in den trüben Augen des alten Mannes auf und er nickte zustimmend. Als er loshumpelte, drehte er sich noch einmal um, er wollte nach dem Namen der gütigen Frau fragen, die diese kleine Flamme in ihm entzündet hatte, doch Ari war bereits im Gedränge verschwunden.
Das Treffen mit Konrads Freund verlief wie erwartet. Sie teilte ihm ihre neuen Erkenntnisse über die dämonischen Ritter mit und bat ihn noch um einen weiteren Gefallen, dem dieser sofort zustimmte. Beide waren sich einig, dass absolute Geheimhaltung vonnöten war. – Danach hatte Ari sich umgezogen und bewaffnet. Bald schlug die Stunde, in der sich ihr Schicksal und das der Menschen entschied. Sie schritt gelassen durch die äußeren Viertel am Rande der mächtigen Stadtmauern. Die Menschen um sie herum ahnten natürlich nichts und gingen ihren alltäglichen Tätigkeiten nach.
Ari dachte an Sai und ihre Freunde. Wie es ihm wohl ging und was die anderen gerade trieben? Sie sehnte sich danach, ihn wieder in die Arme zu schließen. Wenn das alles vorbei war, würden sie gemeinsam die vor ihnen liegenden Aufgaben meistern. Vielleicht war es ihr sogar möglich, Kinder von ihrem Liebsten zu empfangen. Keiner hatte je von einer Verbindung zwischen Enrai und Vampir berichtet. Aber sie hatten alle Zeit der Welt, es ausgiebig zu testen. Ein wohlig warmes Gefühl stieg in ihr auf und sie lächelte unbewusst vor sich hin. Da riss ein Hornstoß sie aus ihren Gedanken. Sie sah hoch, auch alle Menschen um sie herum taten es ihr gleich. Das Leben erstarrte für einen Moment. Alarmierende Rufe und weitere Hornsignale schallten nun durch die Kaiserstadt. Sie eilte zur nächsten Treppe, die auf die Befestigungsanlagen führte, und drängte sich durch die Masse von Schaulustigen, um einen Blick über die Zinnen zu werfen. Was sie sah, erfüllte sie mit Hoffnung und dieMenschen und Wächter um sie herum mit Furcht: So weit das Auge reichte, marschierten Truppen über die umliegenden Hänge. Unzählige Banner flatterten im Wind und große Belagerungstürme walzten langsam auf die Stadt zu. Mächtige Katapulte wurden in Stellung gebracht und Kavallerie aus Rittern in glänzenden Rüstungen ritt die Linien der Fußsoldaten ab.
Den Farben und Bannern nach zu urteilen, war ganz Tiro gekommen. Sie erkannte Zwerge, die in kompakten Blöcken aufmarschierten; Orks, die in lockerer Formation vorrückten und nur von ihren Anführern im Zaum gehalten wurden; Elfenbogenschützen, die in Perfektion Aufstellung hinter langen Reihen von Speerträgern nahmen. Über alldem kreisten Kriegsfalken, die alles aus der Luft koordinierten.
Ari beugte sich über die Mauer, um weiter sehen zu können. Links von ihr konnte sie ein großes Regiment der hünenhaften Nordmänner erkennen, die brüllend große Äxte und Zweihänder schwangen. Rechts erkannte sie eine Einheit, die ihr unbekannt war. Sie bestand aus schwer
Weitere Kostenlose Bücher