Assassini
und Sie mischen sich in eine Sache ein, die Sie nichts angeht. Es ist die Vergangenheit, und Sie werden niemals begreifen … also fliegen Sie nach Hause, Mister Driskill, vergessen Sie uns, in Gottes Namen, vergessen Sie uns … und vielleicht läßt man Sie dann am Leben – verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will? Fliegen Sie nach Hause, trauern Sie um Ihre Schwester – und bleiben Sie am Leben! Sie sind unschuldig, und Ihre Unschuld ist Ihr einziger Schutz. Bewahren Sie sich diese Unschuld! Und jetzt gehen Sie bitte! Ich kann Ihnen nichts mehr erzählen. Nichts.«
Er saß schweigend hinter dem Schreibtisch und starrte auf seine Hände, als ich das Büro verließ. Ich ging langsam zum Cecil Hotel zurück. Sein Bruder?
Gütiger Himmel! Das Leben ist wie ein Witzblatt, und bei jedem Umblättern gibt’s eine nette kleine Überraschung. Ich ging geradewegs durch die Eingangshalle des Hotels zur Bar hinüber. Die Lobby hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber das mußten wirklich gute Zeiten gewesen sein. Nun war der Prunk gealtert und verblaßt. Von der Bar hatte man einen Blick auf die Felsklippen und das Meer. Der Strahlenkranz der untergehenden Sonne tauchte alles in schimmerndes Gold.
Ich setzte mich, brachte meinen Rücken in eine bequeme Position und kippte einen Gin Tonic hinunter, bestellte mir noch einen weiteren.
Ich hatte bei LeBecq ein wenig Dampf abgelassen und inzwischen die Neuigkeit, daß der Mann auf dem Foto angeblich sein Bruder war, halbwegs verdaut. Und dieser Bruder war tot. Aber was hatte ihn dann so verängstigt? Er hatte geglaubt, ich sei von Rom geschickt worden, von einem Simon Soundso, mit dem Auftrag, ihn zu töten … uns alle zu töten. Er mußte Val irgend etwas darüber gesagt haben. Ihre Unschuld ist Ihr einziger Schutz- Sollte das bedeuten, daß Val Dinge gewußt hatte, die ich offensichtlich nicht wußte? Jedenfalls hatte ich nicht länger in seinem Büro bleiben wollen, um die Antwort aus ihm herauszuprügeln. Aber ich würde ihm noch einen Besuch abstatten. Er war alles, was ich hatte, und er mußte mit weiteren Informationen herausrücken.
Natürlich war da auch noch Richter, aber der Kerl war eine viel härtere Nuß.
Dennoch fragte ich mich, warum ich Richter nicht über das Foto ausgequetscht hatte. Die Antwort war klar: Weil Val es ihm gestohlen hatte. Es gibt keinen Grund, in Dreck herumzuwühlen, wenn man nicht weiß, was man eigentlich sucht.
Und warum hatte ich weder Richter noch LeBecq gegenüber den silberhaarigen Priester erwähnt, der Val ermordet und mich zu ermorden versucht hatte? Ich wußte keine Antwort darauf, jedenfalls keine, die mich befriedigt hätte. Vielleicht hatte ich Angst, daß sie alle derselben schrecklichen Verschwörung angehörten … vielleicht hatte ich Angst, das silberhaarige Monstrum könnte sich noch einmal an mir versuchen.
»Mister Driskill! Ein Anruf für Mister Driskill!« Ein Page ging durch die Bar und rief meinen Namen. Ich winkte ihn zu mir, und er sagte, daß ich das Gespräch in der Lobby entgegennehmen könne, in Telefonzelle eins.
Ich meldete mich in der Hoffnung, daß Schwester Lorraine mich wieder unter ihre Fittiche nehmen und mich zum Abendessen einladen wollte. Aber dem war nicht so. Am anderen Ende der Leitung vernahm ich eine flüsternde Frauenstimme. Ich vermochte nicht zu sagen, ob die Frau ihre Stimme verstellte oder einfach nur sichergehen wollte, daß dort, von wo immer sie anrufen mochte, niemand mithören konnte.
»Mister Driskill, ich muß Sie heute abend sprechen.«
»Wer sind Sie?«
»Später. Wir treffen uns im …«
»Mit Fremden treffe ich mich nur an ganz sicheren Orten, Madam.«
»An der Sa’d-Zaghlul-Statue. Auf dem Platz direkt vor Ihrem Hotel. Ist Ihnen das sicher genug?«
»Wie soll ich Sie erkennen?«
»Ich werde Sie erkennen. Zwanzig Uhr.«
Sie legte auf, bevor ich noch eine meiner intelligenten Bemerkungen anbringen konnte. Ich schlenderte zurück zur Bar und schluckte mit einem dritten Gin Tonic zwei Schmerztabletten. Dann ging ich auf mein Zimmer, nahm ein Bad, was wegen der Rückenwunde mit ziemlichen Schwierigkeiten verbunden war, legte mir einen frischen Verband an, setzte mich ans Fenster und resümierte, was ich bisher in Ägypten herausgefunden hatte. Das Ergebnis war so übel nicht, aber insgesamt gesehen doch eine Enttäuschung: Nur eine Anhäufung von Informationen, die stimmen konnten oder nicht und die sich nicht recht miteinander verknüpfen ließen. Vielleicht konnte
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