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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Gabe: Ich wurde übervorsichtig. Ich mußte an Val denken, die nicht vorsichtig genug gewesen war. Ich lauschte, hielt Ausschau nach im Mondlicht silbern glänzendem Haar, nach einer funkelnden Messerklinge, aber ich hörte nur das Geräusch der Brandung hinter dem Haus und das leise Rauschen des Windes in den Palmen; nirgends war ein Zeichen von Leben.
    Ich suchte im Dunkeln nach der Klingel, als plötzlich die Tür geöffnet wurde. Vor jähem Entsetzen wäre ich fast vom Treppenabsatz gefallen. »Ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte Gabrielle.
    »Das haben Sie aber, und wie.«
    Sie hatte eine kleine Lampe über der Tür eingeschaltet, und in dem trüben Licht konnte ich ihre geröteten, verweinten Augen sehen. »Bitte, kommen Sie herein.« Sie trat zur Seite, und für einen winzigen Augenblick hatte ich das Gefühl, in eine Falle zu tappen. Aber dann war dieses Aufblitzen von Angst auch schon wieder vorüber.
    Sie führte mich durch dunkle Zimmer zu einem Licht am Ende eines breiten, langen Flurs. In den Schatten sah ich einen Rouault, eine byzantinische Ikone und zwei Monets an den Wänden und in den Zimmern die Umrisse schwerer, alter Möbel im blassen Mondlicht.
    »Hier herein«, sagte sie. »Ich bin für diese Unordnung verantwortlich. Ich habe versucht, irgendeinen Hinweis zu finden, der die Reaktion meines Vaters erklärt. Vergeblich.« Sie hatte seinen Schreibtisch durchwühlt; sämtliche Schubladen waren herausgezogen. Sie lehnte sich an einen Tisch, strich das dunkle Haar aus der Stirn und zündete sich eine Zigarette an. »Sagen Sie mir alles, was Sie auch meinem Vater gesagt haben – es muß einen Grund dafür geben, daß er spurlos verschwunden ist.« Die Zigarette zitterte zwischen ihren Fingern.
    »Ich habe ihm ein Foto gezeigt, das vor vierzig Jahren in Paris aufgenommen wurde. Zur Zeit der deutschen Besatzung. Das hat ihn völlig aus der Fassung gebracht. Er glaubte, ich wäre gekommen, um ihn zu töten. Ich habe gar nichts begriffen. Er hat völlig zusammenhangloses Zeug geredet. Er hatte Angst vor einem gewissen Simon und hat mich gefragt, ob Rom mich geschickt habe … Ich bin ganz Ihrer Meinung: Er fürchtete sich, er hatte furchtbare Angst. Aber dann hat er kein Wort mehr gesagt, hat mich nur noch gebeten zu gehen.«
    »Dieses Foto«, sagte sie und verstummte. Ihr Gesicht wirkte verhärmt und müde; unter den verweinten Augen lagen dunkle Ringe. Sie schien kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. Nicht nur das plötzliche Verschwinden ihres Vaters, der inzwischen seit vierundzwanzig Stunden vermißt wurde, ging ihr an die Nieren; es mußte noch mehr dahinterstecken. Sie war um die dreißig, eine erwachsene Frau, aber jetzt war irgend etwas im Gange, mit dem sie nicht fertig wurde. »Darf ich das mal sehen?«
    Ich stand neben ihr, legte das Bild auf den Tisch, genau in den Lichtkreis einer Lampe, und sie beugte sich vor, um das Foto zu betrachten. Sie trug eine Kette um den Hals, an der eine Brille befestigt war; sie setzte die Brille auf, beugte sich tiefer hinunter.
    »Richter«, murmelte sie. »Und der da ist mein Vater? Ich glaube nicht …«
    »Er sagte, es wäre sein Bruder Guy. Ein Priester.«
    »Ja, ja, das ist nicht mein Vater, aber es besteht eine große Ähnlichkeit …« Sie tippte mit dem Finger auf einen der Männer und blickte mich fragend an.
    »D’Ambrizzi«, sagte ich. »Inzwischen ist er Kardinal. Vielleicht wird er schon bald der neue Papst.«
    »Und der hier? Er sieht aus wie Shylock …«
    » Das ist es!« Ich flüsterte, weil es im Haus so still war. »Ich wußte doch, daß mir das Profil irgendwie bekannt vorkam. Das ist Torricelli! Bischof Torricelli. Ich hab’s geahnt – er war während des Krieges ein sehr bedeutender Mann unter den Katholiken in Paris. Ich habe ihn als Junge einmal getroffen. Mein Vater hat unsere Familie nach dem Krieg mal mit nach Paris genommen. Er hat Torricelli gekannt. Ich kann mich erinnern, daß jemand ihm den Spitznamen Shylock gegeben hatte, wegen seiner Nase …« Ich starrte auf das Foto. »Mein Gott«, dachte ich laut, »jetzt kenne ich sie alle. Monsignore D’Ambrizzi, Klaus Richter von der Wehrmacht, Pere Guy LeBecq und Bischof Torricelli.«
    »Hat dieses Foto irgendeine besondere Bedeutung?« Sie nahm die Brille ab. »Warum haben Sie es meinem Vater gezeigt?«
    »Ich dachte, er wäre einer der Männer auf dem Bild. Meine Schwester hatte dieses Foto bei sich, als sie ermordet wurde. Es ist mein einziger Anhaltspunkt. Ich muß

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