Assassini
die mysteriöse Anruferin mir weiterhelfen.
Ein paar Minuten vor acht zog ich mir eine weiche Kordsamthose und einen dicken Pullover an und trat nach draußen in den kühlen Wind. Die große Statue beherrschte den gesamten Platz. Die Frau mußte auf mich gewartet haben, denn sie kam schon auf der Straße auf mich zu. Es war die Frau, mit der ich den Termin bei LeBecq vereinbart und die mich in sein Büro geführt hatte. Sie trug eine tabakbraune Bluse, einen farblich dazu passenden Rock, Pumps und eine Lederjacke. Meine Bemerkung, daß ich angenehm überrascht sei, zeigte keine Wirkung: Ihr hübsches Gesicht war zu einer ernsten Maske erstarrt.
»Was soll diese Geheimnistuerei?« fragte ich. »Wie haben Sie mich gefunden?«
»Glück. Das Cecil war das erste Hotel, das ich angerufen habe.« Sie zuckte die Achseln. »Und außerdem hatte ich befürchtet, Sie würden nicht kommen, hätten Sie gewußt, wer ich bin.«
»Und wer sind Sie? Sie arbeiten in LeBecqs Galerie und sind das hübscheste Mädchen in Alexandria – und was sonst noch?«
»Ich bin Gabrielle LeBecq. Die Galerie gehört meinem Vater.« Sie blieb vor der Statue stehen, die über uns in den Abendhimmel ragte. Diese Frau mußte eine außergewöhnlich schöne Mutter gehabt haben.
»Wenigstens sind Sie keine Nonne«, sagte ich. »Was soll das heißen?« Sie wandte sich um, ging weiter, die Hände in den Taschen der Lederjacke vergraben. »Ich bin nicht mal katholisch. Ich bin Koptin.«
»Sehr gut.«
»Ich verstehe nicht.« Sie bedachte mich mit einem verwirrten Seitenblick. »Ist nicht so wichtig.«
»Ich bin Ägypterin. Meine Mutter war Koptin.«
»Schon gut. Ist wirklich nicht wichtig. Also, was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden. Kommen Sie, trinken wir einen Kaffee.« Wir gingen hinüber zum Trianon Coffee Shop.
Sie schwieg, betrachtete mich mit unbewegtem Gesicht. Sie sagte kein Wort, bis der Kaffee serviert wurde.
»Sie müssen meinen Vater in Ruhe lassen. Sie dürfen ihn nicht quälen. Es geht ihm nicht gut.« Sie beobachtete, wie ich an dem schwarzen, heißen Gebräu nippte. »Warum sagen Sie nichts?«
»Ich bin hierhergekommen, um zwei Männer zu treffen. Ihr Vater ist einer davon. Es tut mir leid, wenn ich ihn aufgeregt habe, aber …«
»Ich verstehe nicht, was Sie von ihm wollen. Er hat … geschluchzt, als Sie gegangen waren und ich ins Büro kam. Er hatte schon eine Herzattacke. Er braucht keine zweite. Er hat mir gesagt, wer Sie sind. Er hat mir geschworen, ihrer Schwester alles erzählt zu haben, was er wußte …«
»Und was war das, Miss LeBecq?«
»Keine Ahnung. Er hat mir nur gesagt, er habe getan, was er konnte.«
»Meine Schwester ist ermordet worden, nachdem sie mit Ihrem Vater gesprochen hat. Ich will wissen, was er ihr erzählt hat.«
Sie schüttelte den Kopf. »Mein Vater ist ein anständiger Mann. Die Fragen, die Ihre Schwester ihm gestellt hat, hatten irgendwas zu tun mit – ich weiß nicht, es liegt jedenfalls vierzig Jahre zurück. Was kann das heute noch für eine Rolle spielen?«
»Eine so große Rolle, daß es jemanden veranlaßt hat, meine Schwester zu töten, weil sie darüber Bescheid wußte. Es tut mir leid, ich kann auf Ihren Vater keine Rücksicht nehmen.«
»Aber mein Vater war Kunsthändler. Er hatte mit dem Krieg nichts zu tun. Begreifen Sie doch.« Sie biß sich auf die Lippe, war den Tränen nahe. »Er hatte einen älteren Bruder, der war Priester. Er starb im Krieg. Er war bei der Resistance, glaube ich. Jedenfalls war er Widerstandskämpfer.« Sie rieb sich die Augen. »Mein Vater hat gemeinsam mit meinem Großvater die LeBecq-Galerien geleitet. Nach Kriegsende ist mein Vater aus Frankreich ausgewandert und hat sich hier niedergelassen.«
»Warum? Warum ist er nicht in Paris geblieben?«
»Was macht das für einen Unterschied, Mister Driskill? Er kam hierher und heiratete später meine Mutter. Ich bin 1952 geboren. Er ist ein angesehener Mann, und Sie haben kein Recht, ihn zu quälen!«
»Welche Verbindungen hat er zu Richter?«
»Sie sind Freunde, sie haben zusammen Geschäfte gemacht, sie sind gute Katholiken – aber das ist belanglos. Das ist völlig belanglos. Erst ist Ihre Schwester gekommen, und nun Sie …«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Miss LeBecq. Wie kann irgend etwas, das völlig belanglos ist, Ihren Vater derart ängstigen? Warum hat er mich dann gefragt, ob ein gewisser Simon mich geschickt hat, um ihn zu töten? Warum hat er mich dann gefragt, ob ich gekommen bin,
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