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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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herausfinden, welche Bedeutung es für sie hatte. Warum hat das Foto Ihrem Vater eine solche Angst eingejagt, daß er sich aus dem Staub gemacht hat?«
    Sie schwieg lange. Ich ging zum Fenster und blickte auf das geisterhaft schimmernde Mittelmeer. Meine Gedanken rasten, ziellos, ergebnislos. Ich brauchte Hilfe, jemanden, dessen Verstand klarer und wacher als der meine war. Als ich mich wieder umdrehte, hatte sie sich nicht von der Stelle gerührt. Sie stand immer noch am Tisch und rauchte die Zigarette auf, starrte mich an.
    Ich wies mit einem Kopfnicken auf die Papiere, die sie durchwühlt hatte. »Was ist das alles?«
    Sie ging zum Schreibtisch, bewegte sich anmutig und graziös. Sie sah müde und abgespannt und wunderschön aus. Ich verspürte den Wunsch, die Zeit anhalten und diesem Augenblick Romantik verleihen zu können; ich wollte diese Frau berühren, in die Arme nehmen – und schalt mich einen Narren. Jetzt war nicht die Zeit für Gefühle.
    »Ich habe sämtliche Unterlagen durchgesehen, die ich finden konnte. Ich habe etwas gesucht, das mir erklären kann, warum schon der Besuch Ihrer Schwester meinen Vater so beunruhigt hat. Er war nicht mehr er selbst, seit sie mit ihm gesprochen hat.« Sie schob einige Akten zur Seite. »Ich habe sein Notizbuch gefunden. Er muß gestern, nachdem er die Galerie verlassen hat, noch hier gewesen sein – ich habe das allerdings erst festgestellt, als ich sein Notizbuch gefunden hatte. Als ich nach Hause kam, war er bereits fort. Er hat ein paar Eintragungen gemacht – nachdem er mit Ihnen gesprochen hat. Hier, sehen Sie selbst.«
    Es war ein spiralgebundener Terminkalender mit Raum für Notizen. LeBecq hatte irgend etwas in Französisch hineingeschrieben. Ich wollte es ganz genau wissen. »Übersetzen Sie«, sagte ich.
    »›Was soll aus uns werden? Wo wird alles enden? In der Hölle!‹« Ihre Stimme brach. Sie biß sich auf die Lippe, blickte mich an. Tränen liefen ihr über die Wangen. »Mein Onkel ist den Heldentod gestorben … und nun ist mein Vater, vierzig Jahre später … Ich weiß, daß etwas Schreckliches passiert ist … Und ich weiß, daß Sie das nicht gewollt haben …«
    »Nein, Gabrielle, das habe ich wirklich nicht gewollt. Ich tappe selbst im dunkeln und brauche Hilfe.« Ich legte meine Hände auf ihre Schultern, und dann kam sie in meine Arme, barg den Kopf an meiner Brust. Ich hielt sie, spürte, wie sie zitterte, und sie schien so zart, so zerbrechlich; gefangen in ihrer Furcht, ihrem Kummer suchte sie Geborgenheit und Trost bei einem Fremden. Ich küßte ihr glattes, seidiges Haar, nahm seinen Duft in mich auf. Ich wollte ihr sagen, daß alles wieder gut werden würde, daß ihr Vater in Sicherheit sei, aber ich konnte es nicht. Zu viele Menschen waren gestorben. Also hielt ich sie nur in den Armen und ließ sie sich ausweinen. Vielleicht war ihr Vater wohlauf. Vielleicht schmorte er auch schon in der Hölle. Ich wollte nicht mit verlogenen, beruhigenden Worten Trost zu spenden versuchen.
    Den Kopf noch immer an meiner Brust, sagte sie: »Warum vertraue ich Ihnen bloß?«
    »Was haben Sie zu verlieren? Sie wissen sehr gut, daß ich nicht hierhergekommen bin, um jemanden zu ermorden. Für einen älteren Herrn bin ich doch ganz umgänglich, oder?«
    Sie grinste schief und zog die Nase hoch.
    Dann wagte ich einen Schuß ins Blaue. »Und vielleicht vertrauen Sie mir, weil Sie Dinge wissen, die Sie mir noch nicht erzählt haben … Dinge, von denen Sie wissen, daß ich sie wissen sollte. Sie vertrauen mir, weil Sie mir vertrauen möchten.«
    Sie löste sich langsam aus meinen Armen. »Hier, es steht noch etwas im Notizbuch.« Sie blätterte es rasch durch, hielt bei einer bestimmten Seite inne. »An diesem Tag hat er sich mit Ihrer Schwester getroffen. Er hat sie mit keinem Wort erwähnt, es fehlt jeder schriftliche Hinweis … aber hier, schauen Sie mal. Er hat eine Namensliste aufgestellt.«
    Simon.
    Gregory.
    Paul.
    Christos.
    Archduke!
    Sie blickte mich an, als ich die Namen las; dann sagte sie: »Sind das richtige Namen, Mister Driskill? Oder sind es eine Art Decknamen? Archduke …«
    Ich nickte. »Und was hat das große Ausrufungszeichen zu bedeuten? Aus welchem Grund ist Archduke so wichtig?«
    Sie sagte: »Auf dem Foto sind vier Männer …«
    »Und ich bin ziemlich sicher, daß meine Schwester Ihrem Vater dieses Foto gezeigt hat. Er hat sich die Aufnahme angesehen, er hat meine Schwester mit keiner Silbe erwähnt – aber dann hat er diese

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