Assassini
auch an die Kirche selbst. Und er hat die Bezahlung der Nazis abgewickelt.«
»Über Klaus Richter«, sagte ich.
Sie nickte. »Ich glaube, ja. Ich kann es nicht beweisen, aber mein Vater hat mir genug erzählt, daß ich mir ein ziemlich klares Bild machen konnte. Wegen dieser Geschäfte hatte mein Vater all die Jahre über solche Angst. Vater ist ein schwacher Mann. Er ist nicht skrupellos genug für so etwas. Richter betrachtet ihn als Weichling. Darum hat Richter meinen Vater auch an der Leine. Richter war sein Aufpasser – und jetzt, fürchte ich, ist mein Vater unter der Last seiner Schuld … zerbrochen.« Sie weinte leise.
Ich ging zu ihr, kniete neben ihr nieder. Sie streckte die Hände nach mir aus, und ich nahm sie in die Arme, hielt sie wie ein Kind. Sie weinte und weinte, versuchte zu reden, aber ihre Stimme war unverständlich, ging in ein verzweifeltes Schluchzen über. Dann blickte sie mit tränennassem Gesicht zu mir auf, küßte mich, löste sich von mir, nahm meine Hand und führte mich ins Schlafzimmer, wo wir uns liebten, hungrig, verzweifelt, wie Fremde es tun; wir suchten und fanden für kurze Zeit Schutz und Vergessen in der Leidenschaft.
Als sie schlief, stieg ich aus dem Bett, streifte mir Hemd und Hose über und trat hinaus ins Freie. Ich blieb auf dem Absatz der Treppe stehen, die hinunter zum Strand führte. Der kalte Wind trocknete den Schweiß auf meinem Gesicht, und ich betrachtete das Mondlicht auf den Wellen, lauschte der Brandung und versuchte, meine Schwester zu finden, irgendwo dort draußen, irgendwo in meinem Innern, um sie zu fragen, Val, war es das, war das alles, kleine Schwester …?
Vielleicht war sie auf die gleiche Weise wie ich selbst auf diesen Ring von Kunstdieben und Hehlern gestoßen, dessen Geschichte sich bis ins Paris der Besatzungszeit zurückverfolgen ließ, einige Geistliche und einige alte, unbelehrbare Naziverbrecher, die sich an irgendwelchen abgelegenen Flecken des Erdballs mit ihren zusammengerafften Schätzen – Bildern und Plastiken und Faberge-Eiern –, verborgen hielten, den kläglichen Splittern des zerschlagenen Tausendjährigen Reiches. Kein angenehmer Gedanke. Aber wie konnte das mit einer bald bevorstehenden Papstwahl in Verbindung gebracht werden, mit Vals und Lockhardts und Heffernans Ermordung? Und wenn – die Sache hatte nicht genug Gewicht. Nein. Ich hatte einen häßlichen Fleck auf der riesigen Fassade der Kirche entdeckt … mehr aber auch nicht.
Doch da war das Foto. Da war Richter. Er hatte schon damals schmutzige Geschäfte mit der Kirche gemacht. Da waren drei Geistliche. Zwei von ihnen waren tot, und einer wurde vielleicht schon sehr bald auf den Thron des heiligen Petrus gewählt. Da war Gabrielles feste Überzeugung, daß dieser schmutzige Kunsthandel noch immer florierte, daß kirchliche Gelder in die Taschen alter Nazis flossen. Und sollte sie recht haben, dann gab es auch heute noch Kirchenmänner, die in dieses Geschäft verstrickt waren, das sich auf gegenseitige Angst und Erpressung und Geldgier gründete. Dann gab es irgend jemanden innerhalb der kirchlichen Hierarchie, der die Interessen der Nazis vertrat, der vielleicht selbst eine Nazigröße gewesen war.
Vielleicht einer der alten Krieger. Oder ein neuer Mann, smart, clever, geschäftstüchtig, der die Tradition fortführte.
Und was die andere Seite betraf, die Kirche, war D’Ambrizzi das überlebende Bindeglied zur Vergangenheit.
Wie konnte ich sicher sein, daß D’Ambrizzis Karriere nicht zerstört wurde, wenn dies ans Tageslicht kam? Dann war sein Traum vom Papstthron ausgeträumt. Ausgerechnet D’Ambrizzi, mein wunderbarer Spielgefährte aus jenem längst vergangenen Herbst des Jahres 1945 …
Val hatte ihm sehr nahe gestanden. Und Schwester Elizabeth war gut mit ihm bekannt.
All diese Tatsachen wirbelten durch mein Hirn; ich konnte die Gedanken nicht unter Kontrolle bringen. Wie paßte das heutige Paris ins Bild? Val hatte in den letzten Monaten ihres Lebens viel Zeit in dieser Stadt verbracht, hatte dort Nachforschungen angestellt … welche Nachforschungen? Und was hatte das besetzte Paris mit alldem zu tun? Alle mir bis jetzt bekannten Personen, die mit dieser Geschichte zu tun hatten, waren damals in Paris gewesen.
Ich fragte mich, wohin Etienne LeBecq sich abgesetzt hatte, ob er noch lebte; ich dachte fast wehmütig daran, wie gern ich ihm noch einige wenige Fragen gestellt hätte, als ich ein Geräusch hinter mir hörte. Gaby hatte sich einen
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