Assassini
Zutritt zu den Geheimen Archiven zu verschaffen. Aber nicht einmal Sandanato wußte, welche Absichten sie eigentlich verfolgte.
In einer halben Stunde würde sie die Suche nach jenem Geheimnis aufnehmen, das sich irgendwo in den Gewölben der Archive befinden mußte und das Val in den letzten Monaten ihres Lebens so sehr fasziniert hatte.
Der Petersplatz lag noch im kühlen, klaren Licht der frühen Morgensonne, die harte, scharf konturierte Schatten warf, als Elizabeth den Platz überquerte, dann entlang der Leoninischen Mauer und durch die Porta Angelica die Vatikanstadt betrat; sie ging zielbewußt am Gebäude des Osservatore Romano und der Druckerei vorbei und gelangte schließlich zum Cortile del Belvedere, unmittelbar neben der Vatikanischen Bibliothek.
Ihre sämtlichen Papiere, einschließlich ihres Ordensausweises, wurden genauestens überprüft, bis man ihr schließlich Einlaß gewährte. Zumindest hatte Sandanato durch seine Fürsprache -und indem er sich auf seine einstigen engen Verbindungen zu Curtis Lockhardt berufen hatte – das bürokratische Räderwerk geölt und die Dinge erheblich beschleunigt. Andernfalls hätte Elizabeth möglicherweise noch Tage, vielleicht Wochen warten müssen. Sandanato hatte sogar dafür gesorgt, daß ihr in bestimmten Bereichen der Geheimen Archive das Privileg der freien Einsicht in die Bestände eingeräumt wurde, was bislang immer undenkbar gewesen war. Aber Curtis Lockhardt hatte immerhin Millionenbeträge aufgebracht, die dazu verwendet worden waren, neue Lüftungs-, Kühl- und andere Anlagen installieren zu lassen, um die teilweise schon geschädigten Dokumente besser konservieren und vor dem endgültigen Verfall bewahren zu können. »Eines Tages«, hatte Lockhardt scherzhaft gesagt, »werde ich die Archive besuchen und feststellen, daß Petrella den Kopierraum nach mir benannt hat.«
Monsignore Sandanato wartete gleich hinter der Tür zum unpassend modernen Vorzimmer mit dem hellen Marmorfußboden und dem großen Tisch, an dem Elizabeth sich eintragen mußte.
»Ich bin vor etwa einem Monat hier gewesen, um mir die Michelangelo-Briefe anzusehen«, sagte er, als sie durch das Vorzimmer zum Empfangsraum schritten. »Petrella ist ein arroganter Mann, aber er hat seinen Meister gefunden. Er sagte, er könne mir die Michelangelo-Briefe momentan nicht zur Verfügung stellen. Ich wollte den Grund dafür wissen. Es hat sich herausgestellt, daß der Heilige Vater sich die Briefe vor einer Weile ausgeliehen hat! Man hat sie aus den Archiven an sein Krankenbett gebracht, und Petrella hatte Angst davor, seine Heiligkeit anzumahnen, die Briefe endlich wieder zurückzugeben. Natürlich bekommt niemand sonst irgendwelche Unterlagen aus den Archiven sozusagen frei Haus geliefert. Ah, da ist er ja. Tonio, mein Freund!«
Das große Empfangszimmer war mit antiken Möbeln eingerichtet, die Calixtus aus den päpstlichen Gemächern hierher hatte bringen lassen. Auf einem niedrigen Tisch lag ein Gobelin, der Petrus in einem Boot auf sturmgepeitschter See zeigte – als sinnbildliche Warnung an jemanden, der in den Geheimen Archiven seine Arbeit aufnehmen wollte, gar nicht mal so übel.
Monsignore Petrella sah wie ein vornehmer Höfling aus, der ein unbesiegbares, waffenstarrendes Herzogtum regiert. Er war hochgewachsen und blond und trug eine schwarze Soutane. Sein Gesicht war glatt und faltenlos und wirkte für einen Fünfzigjährigen außergewöhnlich jung – und ein bißchen eitel. Er begrüßte Elizabeth mit einem schmalen Lächeln und einem kräftigen Händedruck. Sandanato, der seine Pflicht nun getan hatte, entschuldigte sich; er müsse zurück zu D’Ambrizzi. Petrella und Elizabeth waren allein.
»Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, Schwester«, sagte Petrella in fast akzentfreiem Englisch, »gibt es hier gewisse organisatorische Probleme. Die Sache ist schlichtweg die, daß die Bestände des Archivs niemals vollständig erfaßt und katalogisiert werden können. Sie sind jetzt schon viel zu umfangreich, und sie wachsen ständig weiter. Der Herr hat mir die Aufgabe eines Sisyphus übertragen, und ich kann nur einen bescheidenen Beitrag leisten, um das Beste aus dieser Situation zu machen. Ich hoffe, Sie sind darauf vorbereitet.«
»Ich glaube, ich weiß, welche fondi für mich am interessantesten sind, aber Sie können mir wahrscheinlich helfen – wissen Sie, ich führe gewisse Recherchen zu Ende, mit denen Schwester Valentine sich beschäftigt hat …«
»Welch eine
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