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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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nicht an den Verband heran. Also lehnte ich mich gegen die Mauer, beobachtete weiter die Mönche, schaute jeden einzelnen genau an. Ich hielt Ausschau nach einem hochgewachsenen alten Mann mit silbernem Haar und Augen, die so dunkel und tief waren wie die Mündung des Panzer-Geschützrohres draußen vor dem Kloster.
    Aber er war nicht da, natürlich nicht. Die Mönche waren allesamt klein und hager, schwerbäuchig oder untersetzt oder bucklig. Einer der Männer stand etwas abseits, ein bärtiger Geselle mit grimmigen Zügen, der wie ein Rächer aus dem Alten Testament aussah. Ich sah, daß er der einzige in der seltsamen Versammlung war, der mich bemerkt hatte. Der Tote lag offenbar in der verschlossenen hölzernen Kiste, die neben einem Loch stand, das man in den lockeren, sandigen Boden geschaufelt hatte. Auf dem kleinen Friedhof waren hier und da schlichte Holzkreuze zu sehen, die krumm und schief aus dem Boden ragten. Während ich da stand, trat der Bärtige an das Grab und begann zu reden. Ich stand zu weit weg, um verstehen zu können, was er sagte, aber das war mir nur recht.
    Beerdigungen. Die Toten zogen vor meinem geistigen Auge vorüber, Phantasiebilder, geboren aus meinen Schmerzen, der Hitze und dem Durst. Meine Schwester … Lockhardt … Ich spürte, wie der Wind den Schweiß auf meinem Gesicht trocknete und eine salzige Kruste hinterließ.
    Als der Sarg ins Grab gesenkt worden war und die Mönche es zugeschaufelt hatten, kamen sie zu mir herüber. Sie bewegten sich langsam, wie Außerirdische in einem Science-Fiction-Film. Ihre Kutten waren aus grobem Stoff; zwei von ihnen trugen Hosen darunter, die so viele Flicken hatten, daß ihre ursprüngliche Farbe kaum mehr zu bestimmen war; ein anderer Jeans, so ausgebleicht, daß sie beinahe weiß waren. Alterslos, tief gebräunt oder gespenstisch grau, verströmten sie den Geruch nach Schweiß und Sand, der einen ganz eigentümlichen Charakter hat.
    Der Mönch mit den grimmigen Zügen, der die Grabrede gehalten hatte, kam auf mich zu und blieb vor mir stehen. »Ich bin der Abt dieses Klosters«, sagte er leise und überraschte mich mit einer Stimme, die überhaupt nicht zu seinem furchterregenden Gesicht paßte. Ich versuchte zu sprechen, doch mein Mund war wie ausgetrocknet. »Sie bluten«, sagte er und blickte auf die Mauer, an der ich gelehnt hatte.
    Ich drehte mich um. Die Mauer war blutverschmiert. Ich wollte fluchen, doch meine Zunge war wie am Gaumen festgeklebt.
    »Kommen Sie«, sagte er. Ich folgte ihm in das dämmrige Innere des Klosters von St. Christopherus.
    Ein großer, schwerfälliger Mönch, den ich bei der Beerdigung nicht gesehen hatte, hieß mich, mich bäuchlings auf einen Tisch im Amtszimmer des Abtes zu legen – ein Raum, dessen meterdicke Wände aus grob behauenem Stein bestanden und in dem es kühl und dunkel war; nur durch die schmalen Fensterschlitze fielen grelle Lichtbahnen. Der Name des hünenhaften Mönchs war Bruder Timothy. Er hatte einen tagealten Stoppelbart, die rote Knollennase und die blutunterlaufenen Augen eines Gewohnheitssäufers und die Hände eines Engels der Barmherzigkeit. Er zog mir das durchschwitzte Hemd aus und nahm mir den klebrigen, blutdurchtränkten Verband ab, säuberte die Wunde und sagte, er habe schon schlimmere Verletzungen gesehen. Dann lachte er vor sich hin und sagte: »Allerdings waren diese Leute tot.« Der Abt stand neben dem Tisch und beobachtete meine Behandlung. »Bruder Timothy«, sagte er, »macht gerne mal einen Spaß. Er bringt ein wenig Freude in unser tägliches Leben.« Ich lag bewegungslos da und wünschte mir nichts sehnlicher, als zu schlafen, während Bruder Timothy einen neuen Verband anlegte und dann mittels breiter Klebestreifen befestigte. Schließlich trat er einen Schritt zurück und begutachtete sein Werk. Er half mir, mich aufzusetzen; dann machte er sich damit zu schaffen, seine medizinischen Utensilien in einer rissigen ledernen Arzttasche zu verstauen. Als das geschehen war, schneuzte er sich in den Ärmel seiner fadenscheinigen Kutte.
    Der Abt nahm auf einem Stuhl Platz, auf dessen Sitzfläche ein ausgefranstes, dickes Kissen lag, und legte die Hände auf die Tischplatte. »Wasser für unseren Gast, Timothy.«
    Der riesige Mönch schlurfte davon. Der Abt blickte mich an; in seinen Augen stand gleichermaßen Neugier wie Wachsamkeit. »Noch niemand ist zufällig hierhergekommen«, sagte er, »also muß ich annehmen, daß Sie einen Grund für Ihren Besuch haben. Sie haben

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