Assassini
brauchte ich mir über die Rückfahrt keine Sorgen mehr zu machen.
Und dann sah ich es hinter einem Schleier aus Sand und hitzeflirrender Luft für einen Moment auftauchen. Ein flaches, gedrungenes Bauwerk, das am Boden zu kauern schien; die Konturen schartig und gezackt; dahinter das endlose Meer der Sanddünen, grau und schmutzigbraun. Und dann war es wieder verschwunden. Abdul schaltete herunter; das Getriebe krachte furchterregend. Dann wies er nach vorn, grunzte irgend etwas, und betätigte das wenige, was noch von den Bremsen übriggeblieben war. Metall kreischte auf Metall; das Rütteln und Schütteln hörte auf, der Motor erstarb mit einem Röcheln. Ganz langsam löste ich die Hände vom Armaturenbrett, nahm die Sonnenbrille ab, wischte mir mit einem ölverschmierten Lappen, den Abdul mir gegeben hatte, übers Gesicht, und setzte die Sonnenbrille wieder auf.
»Straße hört hier auf«, stellte Abdul fest und klaubte sich ein feuchtes braunes Tabakblatt aus dem Mundwinkel. »Du jetzt laufen, Meister.« Er lachte geheimnisvoll und spuckte durch ein Loch im Lkw, wo eigentlich ein Fenster hätte sein müssen. »Ich morgen wieder hier. Ich nix warten. Du da drüben dann fertig, Meister. Sonst du nix mehr weg hier. Und jetzt gib Abdul Geld für Wiederkommen. Abdul ist geboren vor langer Zeit, nicht gestern.« Er grinste über seine weise Voraussicht, und ich gab ihm die ausgehandelte Summe.
Nach einer schmetternden Fehlzündung brüllte der Motor wieder auf. Ich nahm meine Tasche und blickte zurück über die nur stellenweise sichtbare Straße. Die mahlenden Reifen des Lkws überschütteten mich mit Sand und Staub, als Abdul beschleunigte, aber das war mir verdammt gleichgültig. Ich befand mich hier am absoluten Arsch der Welt, und niemand würde sich für mein Aussehen interessieren.
Das Kloster war eine Ruine. Bewacht vom Gespenst eines Panzers. Er stand in schrägem Winkel zum Haupteingang des von einer niedrigen Mauer umgebenen Klosters. Er trug das Feldabzeichen von Rommels Afrikakorps, verblaßt, die Farbe teilweise abgeblättert; das lange Geschützrohr schien noch immer die Straße und das Gelände in weitem Umkreis zu beherrschen, als wäre noch eine letzte scharfe Granate im Lauf. Es war wie ein Traum, ein Alptraum aus einem letzten Hurra, aus Geschützdonner und Schmerzensschreien, dem Geruch nach Pulver und Blut. Doch das stählerne Ungetüm beherrschte nur noch eine trostlose Öde aus Sand und dürren, sich träge im Wind wiegenden Palmen. Der Feind war schon lange, lange fort. Der Lauf der Geschichte, die Zeit hatten alles hinweggefegt und nur diesen traurigen Veteranen zurückgelassen.
Ein erschöpfter Hund kam aus dem Schatten der Mauer auf mich zu, blieb auf schwankenden Beinen stehen, beäugte mich voller Enttäuschung und schleppte sich dann zurück in den Schatten. Er schüttelte ab und zu den Kopf, um die Fliegen zu verscheuchen, die so groß wie mein Daumennagel waren und von denen einige meine Verfolgung aufnahmen, als ich durch das geöffnete Tor das Klostergelände betrat. Die sengende Hitze, die von den Mauerwänden abgestrahlt wurde, traf mich wie ein Hammerschlag.
Keine Menschenseele war zu sehen. Eine Palme warf ihren Schatten über eine Pfütze schmutzigen, trüben Wassers, ein weiterer Hund stand dort und schlabberte von der Brühe, unterbrochen von tiefem, asthmatischem Hecheln. Doch neben dem feinen Zischen des Sandes, den der Wind beständig gegen die Mauern des Hauptgebäudes wehte, dem leisen Rascheln der Palmblätter und dem Summen der Fliegen, die meinen Kopf umschwirrten, hörte ich noch etwas. Ein tiefes Rumoren, Stimmen, die der sich ständig drehende Wind erfaßte und die mal lauter und dann wieder schwächer zu vernehmen waren. Ich ging in die Richtung, aus der die Stimmen zu kommen schienen, gelangte an die gegenüberliegende Seite der Mauer, die das Kloster umgab, und erreichte ein hölzernes, verwittertes Tor, das schräg in Scharnieren hing, die aus Hanfseil gefertigt waren. Ich trat hindurch, stutzte einen Augenblick, blieb im Schatten der Mauer stehen und beobachtete die Mönche.
Sie begruben jemanden.
Ich verharrte im Schatten, blinzelte, betrachtete die Gestalten, die in der hitzeflirrenden Luft seltsam verzerrt aussahen. Ich versuchte, mit der Hand meinen feuchten Rücken zu betasten, um festzustellen, ob die Wunde aufgebrochen war und blutete. Ich wußte, es war nur Einbildung. Ich wußte, es war nur Schweiß. Aber die Wunde tat höllisch weh. Ich kam
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