Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
Doppelkinn sah aus wie nasser Teig. Ich hob die Hand, richtete den Zeigefinger auf ihn und sagte: »Peng.«
    Er kicherte wie ein Mensch, der beweisen wollte, daß er nicht vergessen hatte, wie man kichert; dann zündete er die Kerze an. Ich sehnte mich nach der Wärme eines Kaminfeuers. »Sie haben mich halb zu Tode erschreckt«, sagte ich, »was kann ich für Sie tun?«
    »Ich mußte Sie allein sprechen. Der Abt würde es nicht gutheißen, daß ich mich in diese Sache einmische, aber ich muß es tun. Was ich Ihnen sagen muß – ich habe es nicht einmal dem Abt erzählt. Aber ich habe gehört, wie Sie ihm die Geschichte über diesen Mann erzählt haben, den Sie LeBecq genannt haben, und ich habe auch sein Gesicht auf dem Foto gesehen … und da wußte ich sofort, daß ich Ihnen sagen muß, was ich gesehen habe …« Er atmete schwer, und sein Gesicht glänzte im Licht der Kerze vor Schweiß, trotz der nächtlichen Kühle. Er leckte sich nervös über die Lippen, ging zum Türeingang, schob den Vorhang zur Seite und steckte den Kopf auf den Flur; dann kam er wieder zu mir ans Bett. »Er ist überall«, sagte er, und es klang wie eine Entschuldigung, »und ihm entgeht nichts. Es gibt Geschichten über den Abt. Man sagt, er habe das Zweite Gesicht … das ist natürlich Unsinn. Aber ich frage mich trotzdem, wo er stecken mag …« Für einen Augenblick war er völlig in Gedanken versunken, dann gab er sich einen Ruck. »Wir dürfen keine Zeit verschwenden.« Er wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn, blickte mich dann mit seinen funkelnden kleinen Augen an.
    »Weiter«, sagte ich und zog die Decke straff.
    »Dieser LeBecq, ich habe ihn gesehen. Er ist draußen in der Wüste. Ich bringe Sie zu ihm. Schauen Sie ihn sich selbst an.«
    Ich folgte Bruder Timothy an den Zellen vorüber, in denen die Mönche auf ihren Pritschen stöhnten oder schnarchten oder im Schlaf vor sich hin murmelten; dann verließen wir das Klostergelände. Im Mondlicht sah die Landschaft wie mit Eis überzogen aus. Der Wind hatte aufgefrischt, die Sandkörner prickelten auf meiner Haut, wirbelten mir in die Augen. Draußen vor dem Tor ragte bedrohlich und geisterhaft der alte Panzer auf; sein langes Geschützrohr warf einen seltsamen Schatten im Mondlicht.
    Timothy schlug ein flottes Tempo an, hielt sich auf einer Art Trampelpfad, auf dem der Sand ziemlich festgetreten war. Ich konnte die Strecke, die wir zurücklegten, nicht einmal abschätzen, hielt den Kopf gesenkt, um Gesicht und Augen vor dem Sand zu schützen, heftete mich stur an Timothys Fersen und versuchte, die Schmerzen im Rücken zu ignorieren. Wir kamen an wild wuchernden Palmen vorbei, stapften durch die Senken zwischen riesigen Wanderdünen und kamen flott voran. Nach einem halbstündigen Marsch blieb Timothy stehen und zupfte mich am Ärmel. »Gleich da vorn in der Senke, hinter dem nächsten Hügel, da ist es. Ich bringe Sie auf dem schnellsten Wege zu ihm.«
    Ich war so erschöpft, daß ich blind hinter ihm her trottete, ohne auf meine Umgebung zu achten, bis ich feststellte, daß wir vom Kamm einer Düne über deren Flanke in eine Senke hinabstiegen und daß ich auf jenes Privatflugzeug hinunterblickte, das ich auf dem Foto im Büro von LeBecqs Galerie gesehen hatte. Die Maschine sah starr und silbern aus, wie eingefroren; der Tau auf der Aluminiumhaut schimmerte im Mondlicht. Von LeBecq war keine Spur zu sehen. Was machte er hier in der Wüste, wo er sich doch im Schutz der Klostermauern hätte aufhalten können? Und was, in Gottes Namen, hatte das Flugzeug hier draußen zu suchen? Timothy hatte die Maschine inzwischen erreicht und stützte sich mit dem Ellbogen auf eine Tragfläche. Er winkte und rief mir irgend etwas zu, doch der Wind verwehte seine Worte.
    Dann, ein Stück weiter den Dünenhang hinunter, sah ich LeBecq. Er saß im Sand, den Rücken an das Bugrad der Maschine gelehnt. Er schenkte uns nicht die geringste Aufmerksamkeit. Es war mitten in der Nacht. Gewiß schlief er, und sämtliche Geräusche, die wir verursachten, wurden vom Wind weggetragen.
    Erst als Timothy zu LeBecq hinüberging, direkt vor ihm stehen blieb, auf ihn zeigte und mir bedeutete, mich zu beeilen, wurde mir klar, daß irgend etwas nicht stimmte.
    Als ich auf dem Grund der Senke angelangt war und das eine Tragflächenende der Maschine umrundet hatte, sah ich, daß LeBecqs Kopf in einem seltsam verdrehten Winkel auf den Schultern saß. An seiner Schläfe war ein schwarzes Loch, ein kleiner,

Weitere Kostenlose Bücher