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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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nach innen verlaufender Krater. In der Nähe seiner rechten Hand lag ein Revolver vom Kaliber 22. LeBecqs Mund stand weit offen, zu einem gräßlichen O verformt. Sein Toupet war durch die Einschlagswucht der Kugel etwas verrutscht. Als ich näher kam, schien das Loch in seiner Schläfe sich zu bewegen; das Blut hatte Insekten angelockt. Sein Körper war bereits leicht gedunsen. Hier draußen einen oder zwei Tage in der glühenden Sonne zu sitzen war selbst für eine Leiche nicht ratsam.
    Ich beugte mich hinunter, nahm mit spitzen Fingern die Waffe aus dem Sand und ließ sie in die Jackentasche gleiten.
    Timothy hatte ihn heute gefunden, als die anderen Mönche ihren verstorbenen Bruder beerdigt hatten. Durch mein Auftauchen hatte Timothy keine Gelegenheit dazu gehabt, mit dem Abt zu sprechen. Darum hatte er die Sache bis jetzt für sich behalten.
    »Ihr Freund hat seinem Leiden ein Ende gemacht«, sagte Bruder Timothy. »Es muß schwer auf seiner Seele gelastet haben. Und weil er ein guter Katholik und frommer Mann war, hat er keinen anderen Weg mehr gewußt. Ich muß ihn jetzt ins Kloster schaffen.« Er beugte sich nieder, packte die Aufschläge von LeBecqs Jacke, um sich den Leichnam des Mannes auf die breiten Schultern zu wuchten.
    »Ich würde das bleibenlassen«, sagte ich. »Er ist schon ziemlich … nun ja, reif. Es wäre ratsam, morgen mit ein paar Helfern wiederzukommen und ihn in einem Sack zu verstauen oder in eine Kiste zu legen.«
    »Sie haben recht.« Er nickte mit seinem großen, runden Kopf. »Dann werden wir ihn beerdigen.«
    »Und wer verständigt seine Tochter?«
    »Er hat eine Tochter?« Bruder Timothy blickte zum Mond auf. »Der Abt wird wissen, was zu tun ist.«
    Wir gingen sehr viel langsamer als auf dem Hinweg zum Kloster zurück. Einer der Hunde strich draußen um die Mauern. Mir ging die ganze Zeit LeBecqs tragisches Ende durch den Kopf. Immer wieder stand mir des Bild der Einschußwunde in seiner Schläfe vor Augen … und das versengte, zu Staub zerfallende Haar meiner Schwester Val …
    »Bruder Timothy?«
    »Ja, Mister Driskill?«
    »Ich habe LeBecq ermordet.«
    »Wirklich?«
    »So sicher, als hätte ich selbst ihm die Mündung der Waffe an die Schläfe gedrückt. Ich war sein Alptraum, ich habe seine alten Sünden wieder zum Leben erweckt, habe dafür gesorgt, daß sie ihn zu Tode gehetzt haben. Ich war seine Angst und sein Gewissen und seine Sünden und seine Schuld … Ich war Nemesis, die aus dem Nichts kam und ihn um den Verstand gebracht hat, ihn in die Wüste hat fliehen lassen. Und hier hat er erkannt, daß es nur eine Möglichkeit gab, sich von alldem zu befreien …«
    »War er ein böser Mensch?«
    »Nein.«
    »Aber er wird ewig in der Hölle schmoren.«
    »Glauben Sie das wirklich, Timothy?«
    »So wurde mich gelehrt.«
    »Aber glauben Sie es wirklich?«
    »Glauben Sie wirklich, daß Sie ihn umgebracht haben?«
    »Ich habe ihn ermordet. Ja.«
    »Und ich glaube wirklich, daß er für immer in der Hölle schmoren wird.«
    »Dann ist es eine Frage des Glaubens?«
    »Glaube an Gott, ja. Ein Mensch, der sich selbst tötet, muß auf ewig im Höllenfeuer brennen.«
    Die Nacht war endlos. Ich dachte alles wieder und wieder durch, aber wie ich es auch drehte und wendete, ich kam immer zum gleichen Ergebnis. In meinem Herzen würde der arme Kerl auf ewig weiterleben. Vielleicht lag das an meinem katholischen Gewissen. Ich dachte an Schwester Elizabeth und daran, daß sie mein Vertrauen enttäuscht hatte, aber das schien mir plötzlich nicht mehr so schwerwiegend zu sein. Sie hatte keinen Menschen getötet. Bevor ich in einen kurzen, unruhigen Schlaf fiel, galt mein letzter Gedanke ihr. Ich wollte ihr sagen, was ich getan hatte.
    Ich träumte, daß sie mir die Beichte abnahm.
    Ich wartete auf Abdul, sah die Staubwolke am Horizont, die sein Lastwagen aufwirbelte, und hörte das Kreischen und Brüllen und Rüsseln seiner Höllenmaschine, schon bevor ich das Ding tatsächlich zu Gesicht bekam. Die Sonne brannte fast senkrecht vom Himmel, so daß ich dort, wo ich mit meiner Tasche stand, kaum einen Schatten warf. Ich schirmte die Augen mit der Hand ab. Die vergangenen vierundzwanzig Stunden waren wie eine kleine Ewigkeit gewesen. Ich kam mir wie ein Aussätziger vor. Niemand hatte ein Wort zum Abschied gesagt, nicht einmal Bruder Timothy. Ich wußte, es war einfach die Art dieser Mönche und nicht persönlich gemeint, aber es hatte zur Folge, daß ich mich trostloser und einsamer fühlte

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