Assassini
selbst verstecken zu wollen … Um es klar auszudrücken, Mister Driskill, ich kann Ihnen nicht helfen. Ich kenne weder seine Vergangenheit noch seine Zukunft – ich weiß nichts. Wir Mönche hier haben keinen weltlichen Besitz, nichts, was wir unser eigen nennen können … nur die Vergangenheit, ein jeder für sich. Für die meisten von uns gibt es keine Zukunft bis auf das, was Sie hier sehen. Aber über unsere Vergangenheit wachen wir mit größtem Argwohn. Wenn ein Mensch eine glückliche Vergangenheit gehabt hat, warum sollte er sich dann an einem Ort wie diesem aufhalten? Und wenn seine Vergangenheit unglücklich oder lasterhaft gewesen ist … kein Mensch hätte den Wunsch, darüber zu sprechen.«
Der Hund scharrte immer hastiger, hatte bereits ein Loch in den Sand gebuddelt.
»Er riecht den Tod«, sagte der Abt, ging zu dem Tier hinüber und schob es sacht mit dem Fuß zur Seite. Er bemerkte meinen fragenden Blick. »An dieser Stelle haben wir den Körper eines unserer älteren Brüder gefunden. Ich habe immer nur kurz mit ihm gesprochen, aber er war ein redseliger Mann, fast schon geschwätzig. Eines Morgens war er verschwunden. Ein paar Tage vergingen. Mir war klar, daß er kurz vor dem Ende stehen mußte, doch ich wollte ihm Zeit geben, so zu sterben, wie es sein Wunsch gewesen ist … allein, in der Wüste. Als wir uns zum letzten Mal unterhielten, hat er von grünen Feldern gefaselt. Ich bin sicher, daß er in seiner Vorstellung dort gestorben ist, inmitten dieser grünen Felder. Der Hund hat ihn gefunden. Offenbar ist der Bruder in diese Senke gegangen, hat sich niedergelegt und auf den Tod gewartet. Wir haben seine Entscheidung respektiert. Als der Hund ihn fand, war sein Körper mit Sand bedeckt; nur eine Hand ragte noch hervor. Sie sah aus wie ein winziger Grabstein. Diesen Mann haben wir heute begraben, als Sie hierhergekommen sind.« Er kraulte die struppigen Ohren des Hundes, streichelte sein dünnes, mottenzerfressenes Fell. »Warum hat er einen solchen Tod gewählt? Es war Gottes Wille, und es war ein guter Tod. Mehr werden wir nie darüber erfahren, Mister Driskill.«
Er führte mich zu der Zelle, in der ich die Nacht verbringen sollte, und zündete eine Kerze an. Ich sah die Pritsche des alten Mönchs, der vor irgendwelchen dunklen Geheimnissen in seiner Vergangenheit geflohen war und in der Wüste den Tod gesucht hatte. Die Schatten tanzten an den Wänden der winzigen Zelle. Es gab nur die schmale Pritsche, am Fußende eine zusammengefaltete Decke, über der Pritsche ein schlichtes Holzkreuz, den durchdringenden Geruch nach Sand und Nacht – sonst nichts. Der Abt ließ den Blick durch die kahle Zelle schweifen. »Zweckmäßig, wenn nicht sogar luxuriös, Mister Driskill.«
Als er sich zum Gehen wandte, sagte ich: »Eine Frage noch. Über einen weiteren Mann, der vielleicht hierhergekommen und dann wieder gegangen ist. Und der vielleicht von Zeit zu Zeit dieses Kloster aufsucht …«
»Ja?«
»Ich kenne seinen Namen nicht. Ich weiß nicht, ob er ein Priester oder ein Mönch oder vielleicht sogar ein Laie wie LeBecq ist. Aber Sie würden sich an ihn erinnern: hochgewachsen, vermutlich schon über siebzig, aber noch sehr rüstig. Er trägt eine Brille mit runden, goldgefaßten Gläsern und hat silbernes, straff nach hinten gekämmtes Haar … und seltsame Augen, irgendwie … unergründlich tief.«
Der Abt stand im Türeingang; die Schatten der Kerzenflamme geisterten über seine herben Gesichtszüge. Er schwieg lange. Ich wartete, beobachtete ihn, sah eine Spinne die Wand hinaufkrabbeln und plötzlich innehalten, als wollte sie lauschen.
»Ja«, sagte er schließlich. »Ich kenne einen solchen Mann. Bruder August … aber ich weiß nichts über ihn. Falls er der Mann ist, den Sie meinen: Er hat ziemlich lange hier gelebt, zwei oder drei Jahre. Er war sehr hart gegen sich selbst. Er hat klaglos den Tribut bezahlt, den jeder, der hier lebt, zahlen muß. Ein sehr schweigsamer Mann, der die meiste Zeit im Gebet verbracht hat. Dann – und das war höchst erstaunlich – brachte der Gauner, der uns mit seinem Lastwagen die Lebensmittel bringt, einen Brief für Bruder August. So etwas war bis dahin noch nie vorgekommen. Der Brief war aus Rom … und am nächsten Tag war Bruder August verschwunden. Dieser Bandit von Lastwagenfahrer hat ihn mitgenommen.« Er zuckte die Achseln.
»Ob wir wohl ein und denselben Mann meinen …?«
»Woher soll ich das wissen?« sagte der Abt. »Er war anders
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