Assassini
als die anderen hier. Es ging ihm nicht um Sühne, um Selbstbestrafung, er ging einfach seinen Weg, unbeirrt, als würde er sich auf irgend etwas vorbereiten, körperlich und geistig. Ein verblüffend starker Mann, sehr höflich und freundlich, fast sanft. Und hochgebildet. Manchmal ging er für einige Tage in die Wüste. Die Strapazen schienen ihm nicht das geringste auszumachen … manchmal erschien er mir fast unheimlich. Unverwüstlich. Von übermenschlicher Kraft durchdrungen.«
»Ja. Bruder August«, sagte ich. »Das ist er, ich bin mir ganz sicher.« Meine eigene Stimme kam mir plötzlich fremd vor. Die Erkenntnis, daß Vals Mörder hier gewesen war, daß ich so plötzlich seinen Namen erfahren hatte, war völlig unerwartet gekommen. Ich hatte so gut wie nichts über diesen Mann gewußt, und nun traf mich die Bestätigung wie ein Schlag ins Gesicht. »Wann hat er das Kloster verlassen?«
»Ach, die Zeit«, sagte der Abt grübelnd. »Vor zwei Jahren? Ich weiß es nicht genau.« Wieder zuckte er die Achseln. Zeit war bedeutungslos für ihn.
Ich lag stundenlang wach und dachte nach, jetzt, da ich etwas über ihn wußte. Die Finsternis war nicht mehr ganz so undurchdringlich. Bruder August. Zwei Jahre in dieser Hölle. Dann hatte jemand in Rom ihn von hier abberufen … ihn auf seine Mission geschickt. Zwei Jahre später waren meine Schwester und Lockhardt und Heffernan tot. Eine zwei Jahre lange Reise vom Inferno nach New York und Princeton. Obwohl ich hundemüde war, versuchte ich, die neuen Informationen mit dem, was ich wußte, in Verbindung zu bringen. Doch ich war zu müde und zu überrascht über den roten Faden der Geschichte, der sich abzuzeichnen schien, zu neugierig darauf, wo dieser rote Faden enden würde -ich war zu erschöpft und zu aufgewühlt, als daß ich hätte schlafen können, und gleichzeitig zu erschöpft und zu aufgeregt, um mich durch den Berg von Informationen und möglichen Schlußfolgerungen, der sich um mich herum aufgetürmt hatte, hindurchzuwühlen. Schließlich fiel ich in einen leichten Schlaf. Mitten in der Nacht wachte ich auf, da meine Wunde wieder schmerzte. Außerdem fror ich unter der dünnen Decke. Ich drehte mich vorsichtig auf die Seite, darauf bedacht, daß der Verband sich nicht löste. Plötzlich glaubte ich, irgend etwas gehört zu haben, das Geräusch leiser Schritte auf dem hartgebackenen Lehmfußboden. Und dann hörte ich es wieder. Welche Tiere durchstreiften nachts die Wüste? Ich hatte plötzlich panische Angst. Die Schritte verstummten, als hätte das, was immer sich in der Zelle aufhielt, meine Gedanken gelesen. Ich schlug die Augen auf. Es war fast stockdunkel in der Zelle; nur ein blasser, silbriger Streifen Mondlicht fiel durch den Fensterschlitz. Ich konnte so gut wie nichts erkennen. Der Vorhang an der Tür bewegte sich nicht.
Aber ich konnte irgend etwas riechen. Irgend jemanden.
Und die Haare in meinem Nacken stellten sich auf.
Jemand war in meiner Zelle.
All meine Sinne erwachten, aber zu langsam, viel zu langsam; ich hörte das Atmen; jemand versuchte, kein Geräusch zu verursachen. Der Geruch nach schweißgetränktem Stoff kam näher. Der Atem ging schneller. Er hatte es auf mich abgesehen! Die näher kommende Gestalt zeichnete sich jetzt im blassen Mondlicht ab. Ich sah mich wieder auf dem Eis liegen, sah wie in einem Alptraum die Messerklinge funkeln, sah, wie sie auf mich herabfuhr …
»Bleiben Sie stehen, oder ich drücke ab.« Meine Stimme klang krächzend, zitterte vor Angst. Alles hörte schlagartig auf: das Atmen, die Schritte. Er rührte sich nicht von der Stelle. Nur der penetrante Geruch blieb. Ich hatte Angst vor diesem Namenlosen, Gesichtslosen, aber ich wußte, wer es war. Es war der silberhaarige Priester, und er hatte mich die ganze Zeit beobachtet, war mir bis hierher in dieses Kloster gefolgt, und nun war er gekommen, mich zu töten. »Wenn du mich auch nur anrührst, du Bastard, knall ich dich ab …« Ich bluffte um mein Leben. Das alles war ein schlechter Scherz.
»Ich bin’s, Bruder Timothy.« Die Stimme war leise, ein wenig schrill. »Ich habe Ihnen den Verband angelegt … Sie haben nichts von mir zu befürchten. Bitte, nehmen Sie die Waffe weg. Ich habe eine Kerze dabei. Darf ich sie anzünden? Ich muß mit Ihnen reden.«
Ich hörte das ratschende Geräusch, als er ein Streichholz anzündete; es flammte nur einen Meter vor meinem Gesicht auf. Die riesige Gestalt wurde angeleuchtet. Bruder Timothy lächelte; sein
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