Assassini
mußte damit leben. Also hatte sie ihre Erkenntnisse gesammelt, den ganzen Scheiß geordnet, wie Val es ausgedrückt hätte, und sich eine sachliche, analytische Strategie zurechtgelegt.
Der Tisch war bereits abgeräumt, und der Kardinal und Sandanato hatten sich Elizabeth’ Darlegungen angehört. D’Ambrizzi hatte voller Aufmerksamkeit gelauscht und sie während ihres Vortrags keine Sekunde aus den Augen gelassen. Auch Sandanato hatte schweigend zugehört und dabei kaum einen Bissen von der exzellenten Mahlzeit zu sich genommen, die der Lieblingskoch des Kardinals zubereitet hatte. Nach kurzem Schweigen schnaufte D’Ambrizzi leise, rückte seinen massigen Körper im Sessel zurecht und begann zu reden.
»Ich glaube mich erinnern zu können, Schwester, daß es vor langer Zeit gewisse Kontroversen um den von Ihnen erwähnten Badell-Fowler gegeben hat.« Er ließ seinen Cognac langsam im Schwenker kreisen und hob ihn dann an die Nase, nahm das Bukett in sich auf. Sandanato hatte sich eine Zigarette angezündet und rieb sich über die müden Augen. »Er hatte, soweit ich mich erinnern kann, die Kirche mit Mussolinis Nachrichtendienst in Verbindung zu bringen versucht. Das kann man wohl kaum als Geheimnis bezeichnen! Aber was kann man von einem Engländer erwarten? War er nicht gleichermaßen kritisch, was die Verbindungen Pius’ XII. zu den Deutschen betraf? Daß er mit den Nazis Händchen gehalten hat? Daß es Gerüchte über einen schwunghaften Handel mit geraubten Kunstgegenständen gab? Einige Leute hielten das damals für eine hochbrisante Angelegenheit, und Pius wurde wegen der Geschichte in diesen heiligen Hallen ziemlich unbeliebt.« D’Ambrizzi kicherte heiser. »Und dann?« Er zuckte die breiten Schultern. »Schweigen. So lästige Burschen wie dieser Engländer schaffen es irgendwie immer, in der Versenkung zu verschwinden. Jedenfalls ist das alles Schnee von gestern, Schwester. Nichts ist so öde wie ein alter Skandal.«
»Lassen wir einmal außer acht, was die Leute damals gedacht und getan haben, Eminenz«, sagte Elizabeth unbeeindruckt. »Badell-Fowler wurde vor etwa einem halben Jahr ermordet, und seine Arbeit, alles, was er in seinem geplanten zweiten Buch hatte veröffentlichen wollen, dem Buch über die Assassini, ist zu Asche verbrannt. Er war ein sehr alter Mann, aber jemand konnte es nicht abwarten, bis er eines natürlichen Todes starb. Er mußte schnellstens beseitigt werden.« Sie holte tief Luft, suchte vergeblich nach einem Anzeichen von Herablassung auf D’Ambrizzis Gesicht, und fuhr fort: »Und irgendwann können auch alte Skandale zu Bestandteilen neuer Wahrheiten werden. Heute würde niemand mehr leugnen, daß diese weiß Gott schändlichen Geschichten nicht erfunden waren. Die Kirche war während des Krieges bis über beide Ohren in diese skandalösen Vorfälle verstrickt.«
»Meine Liebe«, sagte D’Ambrizzi höflich, »die Kirche hat immer schon mit einem Fuß im Dreck gestanden. Und dabei war sie in guter Gesellschaft. Aber sie hat immer auch große und gute Menschen hervorgebracht. Manchmal haben das Gute und das Böse sogar in ein und derselben Person gelebt.« Er blickte zu Sandanato hinüber. »Das ist eine interessante Frage, nicht wahr, Pietro? Wir alle haben solche Männer gekannt – und die Kirche besteht nun einmal aus Männern. Und Frauen, natürlich.«
»Niemand weiß, was bei diesem Brand wirklich vernichtet wurde«, sagte Sandanato. »Warum hat der Mann denn so lange mit der Veröffentlichung seines Buches gewartet, wenn er über derart dramatische Erkenntnisse verfügte, wie Sie andeuten, Schwester?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich kann nur von dem ausgehen, was ich weiß. Und wir wissen, daß Badell-Fowler eine möglichst vollständige Geschichte der Assassini zu veröffentlichen gedachte. Wir wissen, daß er eins der Mordopfer war, und wir wissen, daß seine Arbeit vernichtet wurde. Ich glaube, der Anschlag galt mehr den Unterlagen als dem Mann selbst. Begreifen Sie beide das denn nicht? Oder bin ich verrückt?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich bleibe dabei: All diese Männer und Schwester Valentine sind eindeutig ermordet worden. Innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Jahren. Und da soll keinerlei Verbindung bestehen?«
»So, wie es aussieht, ist es höchst unwahrscheinlich.« Der Kardinal schien das Gespräch dennoch fortsetzen zu wollen. Er sagte: »Es ist diese Assassini -Geschichte, die mich so skeptisch macht.«
»Aber«, sagte Elizabeth,
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