Assassini
»irgend jemand muß gewußt haben, daß Badell-Fowler eine Ladung Dynamit in Händen hielt – die dem oder diesen Unbekannten gefährlich werden konnte. Ist das so weit hergeholt? Warum sonst hätte man ihn ermorden und die Beweise vernichten sollen? Val war viel klüger als ich – wenn ich schon so viel herausgefunden habe, was muß dann erst sie gewußt haben! Sie wurde aus den gleichen Gründen wie Badell-Fowler ermordet – mehr oder weniger. Was gäbe ich dafür zu wissen, welche Informationen dieser Mann gesammelt hatte! Falls er die Spur der Assassini bis weit in dieses Jahrhundert hinein verfolgt hat … falls er Namen genannt hat, Namen von Mördern, die aus kirchlichen Kreisen kommen …« Sie ließ sich in dem schweren, mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Sessel zurücksinken. »Denken Sie doch einmal darüber nach. Stellen Sie sich das einmal vor! Mordaufträge innerhalb der Kirche, gelenkt und geleitet von jemandem innerhalb der Kirche. Und das führt uns zur entscheidenden Frage, nicht wahr? Gelenkt und geleitet von wem?« Sie trank einen Schluck Cognac, um sich selbst am Weiterreden zu hindern.
»Die armen alten Assassini « , sagte D’Ambrizzi grübelnd und schüttelte sein mächtiges Haupt. »Ein unerschütterliches altes Schreckgespenst. Der Prügelknabe der Kirchengeschichte. Ehrlich gesagt muß ich gestehen, daß ich die Existenz von Badell-Fowlers zweitem Buch bezweifle. Ich lebe nun schon sehr lange hier im Vatikan, ich hätte davon erfahren, wenn ein zweiter Band Badell-Fowlers geplant gewesen wäre – ich habe schließlich auch meine Quellen. Nein, Schwester, das Thema Assassini ist längst Geschichte und steht deshalb nicht mehr zur Debatte.«
Elizabeth wollte sich nicht auf ein Streitgespräch mit D’Ambrizzi einlassen, aber auf eine Frage hätte sie um keinen Preis der Welt verzichtet. »Aber was ist mit diesem Simon Verginius? Wer war er? Wo hat er gelebt? Oder wollen Sie behaupten, Badell-Fowler sei bloß ein alter Narr gewesen?«
»Er war kein Narr. Aber leichtgläubig, Schwester. Er hat gefunden, was er finden wollte. Das ist unter gewissen Historikern eine nicht selten verbreitete Krankheit. Die übrigens auch unter Journalisten grassiert. Was diesen Simon betrifft … da muß ich Sie leider enttäuschen. Ich war damals in Paris. Simon war ein Mythos, eine Art Robin Hood im von den Nazis besetzten Frankreich. Er hatte ein Dutzend verschiedene Identitäten. Hunderte von Husarenstreichen sind ihm zugeschrieben worden. Er war so etwas wie ein Allzweckheld, der nicht einmal ein Zehntel der Wundertaten vollbracht haben kann, die man ihm nachgesagt hat. Simon war kein einzelner Mann, es handelte sich um mehrere. Einige davon waren mutig, einige waren Kriminelle, und alle waren anonym -Männer, die Dinge getan haben, wie sie in Kriegszeiten manchmal getan werden … Ihr Badell-Fowler ist zufällig auf diese alten Geschichten gestoßen und hat sich darüber hergemacht. Wie es viele andere in den vergangenen gut vierzig Jahren getan haben. Glauben Sie mir, Schwester. Ich war dort.«
»Gewiß waren Sie dort«, sagte Elizabeth lammfromm, um dann zu fragen: »Und die Assassini waren auch nur ein Mythos?«
»Das ist so lange her, daß es kaum noch eine Rolle spielt.« D’Ambrizzi lächelte wohlwollend.
Sie biß sich auf die Unterlippe und faltete die Hände im Schoß. »Aber die Mordopfer sind kein Mythos. Und die Morde sind nicht lange her«, sagte sie leise, wohl wissend, daß sie diese Gelegenheit vielleicht nie wieder bekommen würde. »Falls – und ich sage ausdrücklich falls – die Geschichte über die Assassini kein bloßer Mythos ist, könnten die Morde dann nicht ihnen zugeschrieben werden? Immerhin entsprächen sie ihren … Aufgaben.« Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Sandanato angelegentlich den aufsteigenden Rauch seiner Zigarette betrachtete, offensichtlich darauf bedacht, den Unbeteiligten zu spielen, um nicht mit ihrer aberwitzigen Theorie in Verbindung gebracht und von D’Ambrizzi darauf angesprochen zu werden. »Stimmt das nicht mit den Zeugenaussagen überein, daß der Mörder in New York und Princeton ein Priester gewesen ist? Ein Kirchenmann?«
»Ja, ja«, stieß D’Ambrizzi, dessen Fassade aus toleranter Gelassenheit für einen Moment zerbröckelte, mit dröhnender Stimme hervor. »Aber wenn Sie etwas Derartiges innerhalb der Kirche ansiedeln wollen, dann muß es von so weit oben kommen, von jemandem, der so viel Macht besitzt, daß … das kann ich
Weitere Kostenlose Bücher