Assassini
nicht glauben, Schwester.«
»Aber könnte es nicht ebensogut irgendeine Splittergruppe sein? Die sich auf die Tradition der alten Assassini stützt? Religiöse Fanatiker? Jemand, der sich einer Schreckensherrschaft verschrieben hat, braucht schließlich Männer, die zu töten bereit sind …«
»Wer, Schwester?« fragte Sandanato. »Und wo sollte man solche Männer finden? Und aus welchem Grund sollte jemand ihnen Mordaufträge erteilen? Und warum sollten diese Männer bereit sein, diese Aufträge auszuführen? Diese abstruse Theorie scheint mir eher ein Produkt Ihrer blühenden Phantasie zu sein …«
»Aber die Morde an acht Menschen sind nicht das Produkt meiner blühenden Phantasie«, fuhr sie unbeirrt fort. »Jemand hat diese Menschen getötet. Jemand, der wie ein Priester gekleidet war, hat zumindest einige von ihnen getötet, wenn nicht sogar alle.«
»Nehmen wir einmal an, Badell-Fowler ist tatsächlich aufgrund der Tatsache ermordet worden, daß er Nachforschungen über die Assassini angestellt hat«, sagte Sandanato und richtete den brennenden Blick seiner dunklen Augen auf Elizabeth’ Gesicht. Sie hatte fast das Gefühl, als würde er sie körperlich berühren. »Was ist dann mit den anderen vier Männern? Sie hatten keinerlei Verbindungen zu den Assassini. Warum wurden sie ermordet?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Sie basteln sich da irgendeine gewaltige Verschwörung zusammen, die jeglicher Grundlage entbehrt. Warum? Worauf zielen Sie ab? Und was soll das mit diesem Simon Verginius und den angeblichen Assassini vor vierzig Jahren zu tun haben? Und was konnte so wichtig sein, daß es acht Morde rechtfertigt?«
Elizabeth warf dem Kardinal einen verstohlenen Blick zu. »Wer weiß?« Verdammt, riskier’s, sagte sie sich: »Vielleicht die Wahl eines neuen Papstes …«
Schweigen legte sich wie dichter Nebel über den Tisch, kroch durch das Zimmer. Mutter Gottes, jetzt war sie zu weit gegangen. Es war ausgesprochen dämlich gewesen, diese Bemerkung D’Ambrizzi gegenüber zu machen, dem wahrscheinlich aussichtsreichsten Kandidaten auf den Papstthron. Der Kardinal starrte sie mit versteinerter Miene an.
Schließlich aber erschien das vertraute Lächeln wieder auf seinem Gesicht. »Genau wie Val«, sagte er. »Schwester, ich muß zugeben, Sie sind ein wahrer weiblicher Machiavelli – was Sie übrigens als Kompliment auffassen dürfen. Jetzt begreife ich, warum Schwester Valentine Ihre Freundschaft so geschätzt hat.« Sandanato schenkte ihnen Espresso nach. Die Kerzenlichter flackerten in einem plötzlichen Windstoß, der durch das geöffnete Fenster drang. Das Gespräch verlagerte sich auf andere Themen, sehr zum Mißfallen Elizabeth’. Sie wußte die Reaktion der beiden Männer nicht so recht zu deuten: Offensichtlich war ihre Skepsis, was Verschwörungs- und Mordtheorien betraf, in deren Mittelpunkt die Kirche stand, auf ihren langjährigen religiösen Drill zurückzuführen. Aber wie tief hatte sie D’Ambrizzi und dessen Schatten Sandanato mit ihrer Bemerkung getroffen? Als das Gespräch sich zunehmend um Belanglosigkeiten drehte, ließ Elizabeth den Blick durch das Zimmer schweifen. Die Wohnung des Kardinals hier im Vatikanspalast war wie der Mensch D’Ambrizzi: barock. Eindrucksvoll die kostbaren Antiquitäten und die Gemälde alter italienischer Meister; unter anderem ein Tintoretto, den Pius ihm für seine Dienste während des Krieges geschenkt hatte.
Die nervöse Anspannung, die sich wegen Elizabeth’ Theorien aufgestaut hatte, ebbte allmählich ab. Der Kardinal hatte sich -durch Vals und Elizabeth’ Nachforschungen in den Geheimen Archiven – historischen Themen zugewandt und berichtete aus seinem schier unerschöpflichen Wissensschatz über einige der blutigsten Kapitel der Kirchengeschichte.
Während Elizabeth zuhörte, wurde ihr einmal mehr deutlich, wie recht D’Ambrizzi mit seiner These über die zwei Gesichter der Kirche hatte: einerseits mit einem Fuß immer im Dreck, andererseits das Haupt immer den Sternen zugewandt. Der Januskopf, wie Val es genannt hatte, der Januskopf der römisch-katholischen Kirche.
D’Ambrizzi erzählte von Cesare Borgia und den Assassini, die Cesare einst erfolgreich eingesetzt hatte, um den Ehemann Lucrezias zu beseitigen; der Arme wurde im Spätsommer des Jahres 1500 in seinem Bett stranguliert. Es war ein Mord aus politischen Gründen gewesen; Cesare hatte das Ziel verfolgt, seiner Schwester eine neue legitime Eheschließung zu
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