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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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schenken durfte. Sie betrachtete alles und jeden durch die rosarote kirchliche Brille, sowohl deren geistiges Regelwerk wie auch den ganzen anderen faulen Zauber. Wie man es auch drehte und wendete: Solche Menschen konnten keine Hilfe sein.
    Sieh dir nur den alten Torricelli an, sagte ich mir; jawohl, das ist ein typisches Beispiel. Der arme Torricelli, Inbegriff des Kirchenmannes, eingeklemmt in einen Schraubstock: zwischen den Nazis, den Katholiken, der Resistance. Keine Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit für den alten Bischof. Für ihn war es ein Drahtseilakt, lavieren, lavieren, immer nach der Pfeife anderer tanzen, sich ja nicht festlegen, nicht Partei ergreifen, sich weder zum einen bekennen noch zum anderen, die Augen verschließen, wenn es galt, sich eingestehen zu müssen, was richtig und was falsch, was gut und was schlecht war. Wenn man als Geistlicher in einer von Nazis beherrschten Welt nicht mehr zwischen Gut und Böse entscheiden darf, dann hat man ein Problem. Ein gottverdammtes Problem. Schwester Elizabeth hätte sicher begriffen, in welcher moralischen Zwickmühle der alte Bischof gesteckt hatte, o ja.
    Es ist wie eine Amputation, der man sich unterziehen muß, bevor man in die Kirche eintreten darf: Die Kirche schneidet einem die eigenen Moralvorstellungen heraus und ersetzt sie durch eine künstliche Schöpfung, durch etwas Unnatürliches und Zurechtgebogenes und Verordnetes. Und dann gibt es keinen Platz mehr für Unkompliziertheit, keinen Platz mehr für falsch und richtig. Zweckdienlichkeit ist die neue Moral, und damit hat man sich abzufinden. Schluß, aus.
    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, seit ich Elizabeth das letzte Mal gesehen hatte. Und kurz darauf hatte Horstmann mich aufgeschlitzt; ich war mir nicht darüber im klaren gewesen, daß ich selbst zu einem potentiellen Mordopfer geworden war; damals hatte ich mich noch nicht in einen Jäger verwandelt, war noch nicht in den Krieg gezogen. Damals hatte ich noch keine Waffe bei mir gehabt. Es war eine Ewigkeit her, seit ich Elizabeth gesehen hatte. Ich wäre seitdem fast ums Leben gekommen. Ich hatte in Ägypten einen verängstigten kleinen Mann in den Selbstmord getrieben, den Namen des silberhaarigen Priesters herausgefunden, das Kloster in der Wüste besucht und einen weiteren Mord in Paris erleben müssen. Ich war ein völlig anderer geworden. Aber sie hatte sich bestimmt nicht verändert. Sie war noch immer ein Geschöpf – ein Produkt – der Kirche, ihr Eigentum; sie bekam ihre Befehle von diesem monströsen Gebilde, arbeitete als Lieferantin vorgefertigter Geschichtchen für ihre Zeitschrift. Sie wähnte sich in dem Glauben, etwas Besseres, Edleres zu sein, ein Mensch wie meine Schwester, aber sie irrte sich. Sie war nicht wie Val. Sie glaubte, so vieles zu wissen und zu kennen, aber sie kannte nur das gottverdammte eingefahrene Regelwerk der Kirche. Sie war noch gefangen in jenem Netz, aus dem Val sich wunderbarerweise hatte befreien können. Das war der Unterschied.
    Das alles war mir klar, nur: Es spielte immer dann keine Rolle mehr, wenn ich daran zurückdachte, wie wir uns unterhalten und gemeinsam gelacht und den Inhalt des Kühlschranks inspiziert hatten, um ihren gesegneten Appetit zu stillen, und wie wir ein winziges Stück von dem geheimnisvollen Rätsel lüfteten, das Val hinterlassen hatte, damals, als wir den alten Polizisten in seinem Haus an der Küste besuchten und erfuhren, daß Father Governeau ermordet worden war und daß man diesen Mord vertuscht hatte … Das alles war schön gewesen. Und gut und richtig. Und dann hatte die Vorstellung geendet, und die wahre Elizabeth war auf die Bühne getreten.
    Sie war Nonne. Und das war so ziemlich das letzte auf diese Welt, womit ich zu tun haben wollte. Mit Elizabeth’ Einstellung, wegen ihres verdammten Gelübdes, würde ich diesen Kampf niemals gewinnen können, nicht, wenn der Gegner die Kirche war. Das konnte ich nicht riskieren. Ich wußte alles über Nonnen. Ich hatte es schon immer gewußt, seit jenem Tag, da ich den toten Vogel aufgespießt am Zaun des Schulhofs gesehen hatte … Man konnte nie sicher sein, was sie dachten. Man vertraut ihnen und macht sich von ihnen abhängig und urplötzlich sagen sie einem, daß sie keine Frauen sind, daß sie nicht einmal menschliche Wesen sind, sondern Nonnen. Ich hatte mich von Elizabeth einlullen lassen. Sie hatte die Grenzen, die ich vorher so gut kannte, verwischt, hatte die Warnsignale verlöschen lassen, hatte den

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