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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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jemals wieder den silbernen Mond aus dem Fenster seines kleinen Zimmers sehen, die frische, reine Luft riechen und die Brise auf dem Gesicht spüren, die vom Meer herüberwehte und einen Hauch von Weite und Einsamkeit mit sich trug? Würde er noch einmal das leise Rauschen des Baches hören, der hinter dem Haus vorüberfloß?
    Er machte sich auf die Suche nach einer Telefonzelle. Er war geheißen, bei seiner Ankunft im Vatikan anzurufen.
    Als er seine Anweisungen erhalten hatte, war noch reichlich Zeit für einen ausgedehnten Spaziergang.
    Er konnte sogar die vatikanischen Gärten besuchen. Es war sehr lange her, seit er sie gesehen hatte. Er war gerade den Kinderschuhen entwachsen gewesen, als er das letzte Mal in Rom gewesen war.
    Ja, jetzt, wo er den Anruf erledigt hatte, war noch viel Zeit, in der Stadt herumzuschlendern.
    Er wollte für den Augenblick nicht daran denken, aus welchem Grund er nach Rom gekommen war.

3 DRISKILL
    Ein weiterer Mietwagen, ein weiterer regnerischer, stürmischer Nachmittag mit tiefhängenden, düsteren Wolken, die sich über die gezackten Gipfel der Bergkette an der Küste nordwestlich von Donegal legten und sich wie Gletscherzungen aus Watte die steilen Hänge hinunter erstreckten. Die Berge schienen mich voran zu treiben, hinunter zum Atlantik, schienen mich abzuschotten von all dem, was hinter mir lag, schienen mich wie durch einen riesigen Trichter vorwärts zu schleusen in Richtung der tobenden See. Donegal war eine Gegend von wilder Schönheit, Erhabenheit und Einsamkeit, ein Küstenstreifen, den Gott als natürliches Versteck vor der Zivilisation erschaffen zu haben schien – die weiten, stillen Buchten, von steilen Bergketten umrahmt, die felsigen Hochplateaus, die Atmosphäre der Düsternis, die diese Landschaft ausstrahlte. Zudem gaben Land und Meer nicht mehr genug her, um der Bevölkerung den Lebensunterhalt zu sichern; mit jedem Jahrzehnt wurde das Durchschnittsalter der Bewohner in den Dörfern und auf den einsamen Höfen höher, die Besiedlungsdichte geringer. Es war eine Landschaft der Zwiespältigkeit: schön und wild und doch unbarmherzig den hier lebenden Menschen gegenüber. Sie verleugnete ihre eigene Erhabenheit. Typisch katholisch. Wie hätte es auch anders sein können.
    Trotz der schlechten Straßen und des unwirtlichen Wetters verlief die Fahrt ruhig und gemächlich. Mein Rücken machte kaum noch Probleme. Vor mir lag ein weiteres Kapitel voller Schrecken, doch ich wurde durch die kraftvolle Verbindung von Furcht und unstillbarem Zorn vorangetrieben. In mein persönliches Schreckenskabinett war nun auch der arme alte Robbie Heywood eingetreten, in die Falle gelockt und abgeschlachtet von August Horstmann, vermutlich auf Befehl von irgend jemandem in Rom.
    Ich nahm den Geruch des frisch gestochenen Torfs in mich auf, und den Duft des Heidekrauts und des Geißblatts. Ich hätte fast alles dafür gegeben, nur für ein paar Augenblicke die Morde und die Assassini und die Intrigen in Rom vergessen zu können. Ich war zufrieden, ja glücklich, auf die Landschaft blicken zu können, auf die einsame Straße vor mir, die schimmernden Pfützen in den Bodenwellen, zufrieden, die feuchte Erde riechen zu können und fast so etwas wie inneren Frieden zu finden beim Anblick der vereinzelten alten, weiß getünchten Gehöfte und der schwachen, orangefarbenen Glut der Sonne hinter den blauen und purpurfarbenen Regenwolken.
    Doch es war unmöglich: Ich hatte das unbehagliche Gefühl, daß diese geheimnisvolle Gegend, die sich schon bei einer kurzen Drehung des Kopfes von einer lieblichen Heidelandschaft in eine unwirtliche, bedrohliche Welt aus schroffen Felszacken und wild anstürmender Brandung verwandeln konnte – ich hatte das Gefühl, daß diese Welt mich verschlucken und vielleicht nie wieder freigeben würde.
    Während der langen, einsamen Fahrt hatte ich wieder und wieder an Schwester Elizabeth denken müssen.
    Warum? Es war sinnlos, über sie nachzudenken, mir zu wünschen, daß sie neben mir saß und mir versicherte, daß ich richtig handelte. Ich mußte mich immer wieder daran erinnern, daß sie mir nichts bedeutete. Mein letzter Eindruck von ihr, der Streit, ihr Eintreten für die Kirche, ihre Weigerung, mir zu helfen – das alles war in meinen Augen irrelevant geworden. Und dennoch mußte ich den Gedanken an sie immer wieder gewaltsam verscheuchen, und vor allem die unabänderliche Wahrheit: Sie war eine von ihnen, eine Nonne, jemand, dem man kein Vertrauen

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