Assassini
drei Tage zuvor ermordet worden war, mich dann durch die Torricelli-Papiere hindurchgearbeitet hatte, in denen ich wieder auf den geheimnisvollen Simon und die Assassini und eine ›verabscheuungswürdige Verschwörung‹ gestoßen war, um was immer es sich dabei handeln mochte, und wie Paternoster mir dann von Bruder Leo erzählt hatte und daß Leo einer von ihnen gewesen sei. Ich hatte Vals Fährte so genau verfolgt, daß ich in etwa das gleiche erfahren haben mochte wie sie damals.
»Was bedeuten könnte, daß Sie jetzt ebenfalls schlachtreif sind«, sagte er mürrisch. »Gut, daß ich Sie gefunden habe. Sie brauchen einen Beschützer, mein Sohn.«
»Heute morgen am Strand hätte ich Sie gebrauchen können.«
»Für solche Dinge bin ich zu alt. Sie werden schon noch dahinterkommen, daß ich ein viel zu gewiefter Mensch bin, als daß ich mich derart scheußlicher Methoden bedienen müßte. Ich werde zur Stelle sein, wenn Sie mich wirklich brauchen und kein anderer Ihnen helfen wird. Verlassen Sie sich darauf.« Er gähnte. »Tja, das alles ist ziemlich rätselhaft. Was für ein Pech, daß Leo nicht mehr lange genug gelebt hat, um Ihnen zu verraten, wer dieser Simon ist. Was wäre uns das für eine Hilfe gewesen! Hätte uns vielleicht auch zu Archduke geführt. Aber«, sagte er nachdenklich, »vielleicht sind diese Leute ja schon längst tot …« Er räusperte sich wie jemand, bei dem eine Erkältung im Anzug ist. »Ist Ihnen eigentlich schon klar geworden, Ben, daß irgend jemand bei dieser ganzen Geschichte lügt? Da liegt das Problem. Wir wissen nur nicht, wer dieser jemand ist. Er weiß über alles Bescheid, über Simon und alles andere, aber er belügt uns …«
»Da irren Sie sich, Father«, sagte ich. »Wir haben es hier mit Katholiken zu tun, und die lügen alle. Jeder lügt, was seine eigenen kleinen Versündigungen betrifft. In seinem eigenen Interesse. Es sind eben Katholiken, das ist die ganze Erklärung.«
»Aber ich bin doch auch einer«, sagte er.
»Ich werd’s mir sehr gut merken, Artie.«
»Also, wirklich, Sie sind ein dreister Bursche.«
»Ich weiß, was es bedeutet, Katholik zu sein. Nur sehe ich das nicht durch eine rosarote Brille. Schließlich war ich auch mal einer …«
»Sie sind es immer noch, mein lieber Junge. Tief in Ihrem Innern gehören Sie noch zu den Schäfchen. Sie sind einer von uns. Und werden es immer bleiben.« Er streckte die Hand aus und tätschelte meinen Arm. »Sie machen nur eine kleine Glaubenskrise durch. Kein Grund zur Sorge.«
»Eine kleine Glaubenskrise, die schon fünfundzwanzig Jahre dauert«, erwiderte ich gereizt.
Father Dunn lachte, bis er von einem Niesen unterbrochen wurde. Er zog sein Taschentuch hervor, schneuzte sich. »Nur keine Panik. Sie haben noch viel Zeit, für Ihr Seelenheil zu sorgen. Das kommt alles wieder in Ordnung. Aber bevor ich jetzt zu predigen anfange – Sie haben die Borgia erwähnt?«
Ich berichtete ihm, was Bruder Leo mir über das seltsame Dokument erzählt hatte, bei dem es sich, sollte es existieren, um eine Art Geschichte der Assassini handeln mußte: Namen, Orte – die blutige Spur dieses Geheimbundes durch einige Jahrhunderte Kirchengeschichte.
Dunn nickte. »Hört sich für meinen Geschmack ein bißchen theatralisch an. Vielleicht eine Fälschung aus dem neunzehnten Jahrhundert, um jemanden davon überzeugen zu können, daß er ruhigen Gewissens etwas Schreckliches tun darf.« Wir hatten nun fast den Flughafen erreicht; der Regen hatte aufgehört; Jets donnerten über uns hinweg. »Dennoch«, sagte Dunn, »stimmt es mit dem überein, was mir bekannt ist.«
»Sie wissen etwas über dieses Geheimkonkordat?«
»Ich habe in D’Ambrizzis Testament davon gelesen. So nenne ich es jedenfalls. Sein ›Testament‹. Oder klingt das zu bombastisch?«
»Was ist dieses Testament eigentlich?«
»D’Ambrizzi hat es im Arbeitszimmer Ihres Vaters niedergeschrieben, als Sie und Val Tag für Tag draußen vor der Tür gestanden haben und es gar nicht erwarten konnten, bis er wieder rauskam und mit euch beiden spielte.« Er wies auf das Büro der Autovermietung, wo ich den Leihwagen zurückgeben konnte. »Kommen Sie, wir nehmen die nächste Maschine nach Paris und führen uns ein paar Drinks zu Gemüte. Und dann werde ich Ihnen alles darüber erzählen.«
»Das also haben Sie die ganze Zeit gemeint! Woher wissen Sie davon?«
»Immer mit der Ruhe, Ben.« Er blickte mich mit seinen kühlen grauen Augen an. »Ich hab’s
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