Assassini
und bin immer wieder auf Kessler gekommen. Wenn es jemanden gibt, der die Antworten auf all unsere Fragen kennt, dann höchstwahrscheinlich dieser Mann. Als ich D’Ambrizzis Testament gelesen hatte – und dabei auf diese verdammten Decknamen gestoßen bin –, war mir klar, daß ich Kessler finden mußte. Vorausgesetzt, er lebt noch.«
Wir waren noch auf der Fahrt nach Dublin, als buchstäblich aus heiterem Himmel ein heftiger Landregen einsetzte; die Scheibenwischer mühten sich redlich, die Wassermassen zu bewältigen. Aus dem Autoradio erklang Volksmusik in gälischer Sprache, die ich jedoch besser verstand als das, was Father Dunn eben erklärt hatte: Wer, zum Teufel, war Erich Kessler?
»Robbie Heywood«, fuhr er fort, »hätte ein Ansatzpunkt auf der Suche nach Kessler sein können. Wenn es um Katholiken ging, schien er immer alles zu wissen …«
»Dieser Kessler ist Katholik?« fragte ich. »Nein«, er blickte überrascht zu mir hinüber, »nein, nicht, daß ich wüßte.«
»Ehrlich gesagt, Artie, ich verstehe überhaupt nichts mehr.«
»Es geht mir nicht viel anders«, sagte er, »aber ich arbeite daran. Früher oder später finden wir es heraus.« Er lächelte aufmunternd, doch seine ausdruckslosen grauen Augen, die wie Kiesel in seinem rosigen Gesicht wirkten, waren so abweisend und kühl wie immer.
»D’Ambrizzis Testament«, sagte ich, »und dieser Kessler -wovon reden Sie eigentlich? Als nächstes werden Sie mir wohl erzählen, Sie wüßten alles über das geheime Konkordat der Borgia …«
»Den Teufel werd’ ich ihnen erzählen.« Er seufzte. »Wir müssen noch viele unbeschriebene Seiten füllen, Ben.« Er kuschelte sich in seinen gefütterten, imprägnierten Mantel und zog sich den olivgrünen Filzhut tief in die Stirn, bis dicht über die buschigen grauen Augenbrauen, die aussahen, als wären sie von einem stümperhaften Maskenbildner angeklebt worden. »Können Sie die Heizung in dieser Klapperkiste nicht etwas höher stellen?« Er schauderte, rieb sich die behandschuhten Hände. »Warum erzählen Sie mir nicht, was Sie erlebt haben, seit Sie aus Princeton abgereist sind? Zum einen interessiert es mich brennend, zum anderen bewahrt es Sie davor, hinter dem Steuer einzuschlafen. Sie sehen wie ein Mann aus, der seit Wochen kein Auge zugetan hat.«
Also begann ich zu berichten, erzählte ihm von meinem Treffen mit Klaus Richter und der winzigen Lücke in der mit Fotos tapezierten Wand seines Büros -jene Lücke, in der sich die Aufnahme befunden hatte, die Val dann in ihrer alten Spielzeugtrommel versteckte, so daß nur ich sie finden konnte: dem Schnappschuß mit Richter, LeBecq, D’Ambrizzi und Torricelli; ich berichtete ihm von Gabrielle LeBecqs Geschichte, daß ihr Vater und Richter in den Schmuggel und die Hehlerei mit geraubten Kunstgegenständen verwickelt waren, in die gegenseitige Erpressung zwischen Kirche und Nazis, die im besetzten Paris begonnen hatte und noch immer andauerte. Plötzlich unterbrach er mich.
»Wer ist der jetzige Verbindungsmann im Vatikan?«
»Das weiß ich nicht.« Mir fiel auf, daß Dunn diese Frage gestellt hatte, als wüßte er über das schmutzige Geschäft zwischen Kirche und Nazis Bescheid.
Ich erzählte ihm von meiner Reise zu dem Kloster in der Wüste und meinem Gespräch mit dem Abt, der mir Horstmanns Namen genannt hatte; daß Horstmann sich zwei Jahre im ›Inferno‹ aufgehalten und dann seinen Marschbefehl aus Rom bekommen hatte, und daß diese Tatsache den Mord an meiner Schwester mit Rom in Verbindung brachte. Und ich erzählte ihm vom Schicksal Etienne LeBecqs, von dessen Selbstmord in der Wüste und daß ich diesen armen Teufel in den Tod getrieben hatte, daß er furchtbar verängstigt gewesen war, weil er geglaubt hatte, ich wäre aus Rom geschickt worden, um ihn zu töten; ich erzählte Dunn, wie Gabrielle und ich LeBecqs Terminkalender durchgesehen hatten, worin seine Furcht schwarz auf weiß zu lesen gewesen war, die Decknamen, alles …
Was wird aus uns werden? Wo wird alles enden? In der Hölle! Die Decknamen. Simon. Gregory. Paul. Christos. Archduke! Die Männer auf dem Foto. Nur Richter und D’Ambrizzi lebten noch. Genügte diese Aufnahme, um D’Ambrizzis Chancen auf den Papstthron zunichte zu machen? Was hatten die vier Männer damals besprochen? Und wer hatte sie fotografiert?
Dunn hörte mir aufmerksam zu, während ich ihm berichtete, bis hin zu meiner Reise nach Paris, wo ich hatte feststellen müssen, daß Robbie Heywood
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