Assassini
vornehmsten und bedeutendsten italienischen Geschlechter ein Papst hervorgegangen war, der mit dieser Urkunde eine Art schriftliche Übereinkunft zwischen ihm selbst und einem Kader von Killern getroffen hatte, die von innerhalb und außerhalb der Kirche rekrutiert worden waren – es war das geheime Konkordat der Borgia. Diese Urkunde war somit im Endeffekt eine Art Lizenz, die von Papst zu Papst auf die Assassini übertragen worden war und die es diesen Männern erlaubte, auf päpstlichen Befehl hin zum Wohle der Kirche zu töten. In dem Konkordat war eine lange Reihe von Namen aufgelistet, beginnend mit den ersten Assassini, sowie die Namen von Klöstern, in denen sie in Krisenzeiten Zuflucht finden konnten; das Konkordat – die Liste – war erst in den zwanziger und dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts auf den neuesten Stand gebracht worden, als die Kirche sich bemüht hatte, die Lateranverträge unter Dach und Fach zu bringen, was jedoch ein Bündnis mit Benito Mussolini erforderlich gemacht hatte; als Gegenleistung diente der Vatikan als eine der wichtigsten Quellen für die Sicherheits- und Geheimdienste der italienischen Faschisten.
Im Begleitbrief, der das päpstliche Siegel trug, wurde Torricelli die Anweisung erteilt, die Assassini gewissermaßen wieder zum Leben zu erwecken und sie auf eine Weise einzusetzen, daß ein ›gutes Verhältnis zwischen den Nazis (in erster Linie) und der Resistance‹ aufrechterhalten blieb. Außerdem sollten die Assassini als Werkzeug dienen, der Kirche bei Plünderungen seitens der Nazis ihren Anteil zu sichern – bei der Anhäufung von Schätzen verschiedenster Art, Kunstgegenständen, Gemälden und so weiter zum Wohle der Kirche. Als Gegenleistung wurden von den Assassini bestimmte Aufträge für die Besatzungstruppen ausgeführt.
D’Ambrizzi schrieb in seinem Testament, daß ihm nicht entgangen sei, wie widerwillig und nervös Torricelli sein Einverständnis erklärt hatte, als Simon ihm darlegte, welche Aufgaben für sie beide damit verknüpft seien; D’Ambrizzi hatte verfolgt, schrieb er, wie Simon die Assassini rekrutierte und wie er sich dann bei den Besatzern zunehmend unbeliebt, ja verhaßt machte – Simon verabscheute alles, wofür die Nazis eintraten, alles, was sie von ihm und seinen Männern verlangten. D’Ambrizzi hatte beobachtet, wie Simon sich mehr und mehr der Sympathien Papst Pius’ für die Sache der Nazis bewußt wurde, Pius’ Feindschaft den Juden und allen anderen Opfern der Nazis gegenüber, Pius’ Weigerung, mit der ganzen Macht des ihm übertragenen päpstlichen Amtes der Welt die moralischen Standpunkte der Kirche deutlich zu machen und die Nazi-Tyrannei, die barbarischen Übergriffe, die Menschenverachtung anzuprangern. So konnte es nicht ausbleiben, daß Simon die Assassini zu seiner eigenen Streitmacht umfunktionierte, während er den erleichterten Torricelli in dem Glauben ließ, so zu handeln, wie der Papst es verlangt hatte. Simon kappte schließlich die Verbindungsstränge zwischen Torricelli und den Assassini – und somit auch die Verbindung zwischen den Assassini und Papst Pius, ja, zwischen den Assassini und der Kirche allgemein. Die Priester und Mönche und Laien, die sich zusammengeschlossen hatten, um für das Wohl der Kirche zu kämpfen, wurden zu einer rein weltlichen Streitmacht, zu Simons Privatarmee, die er nach eigenem Ermessen einsetzte.
Im Laufe der Zeit verwandelte Simon seine kleine Streitmacht nach und nach zu einer Anti-Nazi-Truppe, die nur noch hin und wieder Aufträge der Besatzer ausführte, um wenigstens den Schein zu wahren. Völlig entgegen ihrer vom Papst übertragenen Aufgaben und Ziele begannen die Assassini mit der Ermordung von Nazi-Sympathisanten und -informanten innerhalb kirchlicher Kreise; sie versteckten Juden und Resistancekämpfer in Kirchen und Klöstern.
Dann kam jener Tag, als die Nazis sich mit einem direkten Befehl an Bischof Torricelli wandten, den sie jedoch auf ihre typische, bewährte und gekonnte Art und Weise verschleiert überbrachten. Ein Priester, der der Besatzungsmacht beträchtlichen Schaden zufügte, sollte getötet werden. Zwischen Simon und Torricelli kam es zum offenen Konflikt. Und dem Bischof wurde klar, daß Simon seine, Torricellis, und die kirchlichen Befehle unterlief, ihnen sogar zuwiderhandelte.
Etwa zur gleichen Zeit entdeckte Torricelli auf ungeklärte Weise, daß Simon ein Attentat auf eine sehr bedeutende Persönlichkeit plante. Als Simon erfuhr,
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