Assassini
gelesen.«
»Sie haben was? «
Ich konnte es kaum fassen. Father Dunn war immer für eine Überraschung gut, weiß Gott.
D’Ambrizzi hinter den verschlossenen Türen des Arbeitszimmers im Hause der Driskills in jenem Sommer und Herbst des Jahres 1945. Draußen vor dem Fenster tollten Val und ich herum und schnitten Grimassen, versuchten, unseren Spielkameraden herauszulocken. Vergeblich. Erst mußte das tägliche Arbeitspensum erledigt werden. Es war eine Arbeit, in die er sich aus rein persönlichen Gründen vertiefte, als eine Art rückschauende Betrachtung. Vielleicht hatte er sein Gewissen von Dingen reinigen wollen, von denen er am liebsten gar nichts gewußt hätte, die aber nun einmal geschehen waren und die er nicht vergessen konnte. Was immer seine Gründe gewesen sein mochten, er hatte sich offensichtlich verpflichtet gefühlt, die Geschichte seiner Erlebnisse im besetzten Paris niederzuschreiben. Dort hatte er in jenen verschwommenen Grenzbereichen operiert, die zwischen der Kirche und den Nazis und der Resistance lagen; es hatte keine andere Wahl für ihn gegeben, keinen Ausweg. Als offizieller Mitarbeiter von Bischof Torricelli hatte er alles mit ansehen müssen, was vor sich gegangen war, und nicht gewußt, was er dagegen unternehmen konnte. Also hatte er im Hause seines amerikanischen Freundes alles niedergeschrieben – was hatte er überhaupt in Princeton zu suchen gehabt, bei Hugh Driskill, seinem alten Kumpel und Lebensretter –, und dann war er verschwunden. Eines Morgens war er plötzlich fort gewesen, und Val und ich hatten uns gefragt, was eigentlich los war, wer er in Wirklichkeit gewesen war. Und nun erfuhr ich, daß er sein ›Testament‹ geschrieben und in die Obhut des Pfarrers an St. Mary’s in New Pru gegeben hatte, mit der Bitte, es sicher aufzubewahren. Und dort hatte es versteckt gelegen, in einem vierzigjährigen Schlummer, und war in Vergessenheit geraten. D’Ambrizzi hatte beträchtliche Anstrengungen unternommen, das Manuskript zu schreiben und dann zu verstecken – nur um es dann, wie es den Anschein hatte, zu vergessen! Wo war der Haken an der Sache? Warum konnte ich bei dieser ganzen verdammten Geschichte nie das Wesentliche erkennen? Laufend deckte ich irgendwelche Geheimnisse auf, trug neue Informationen zusammen, aber das alles schien mir niemals Antworten auf meine Fragen geben zu können. Jetzt war wieder so eine Bombe geplatzt -die Geschichte von D’Ambrizzis ›Testament‹ – mit dem Erfolg, daß sich eine ganze Menge neuer Fragen ergeben hatte.
Monsignore D’Ambrizzi hatte bereits ein beträchtliches Stück auf der Karriereleiter des Vatikans erklommen, als Papst Pius ihn nach Paris entsandte und Bischof Torricelli zur Seite stellte, als Verbindungsmann des Bischofs nach Rom. Das Einrücken der deutschen Besatzungsmacht bedeutete eine völlig neue, andere Ebene des Aufgabenbereichs und der Verantwortlichkeiten. D’Ambrizzis diplomatisches Geschick wurde auf eine harte Probe gestellt, als er nun versuchen mußte, einen halbwegs tragbaren Kompromißfrieden zwischen Torricelli, der Resistance und den Nazis herzustellen. Er arbeitete hart, gab sich redliche Mühe. Und dann kam jener Tag, als alles sehr viel schwieriger wurde.
Ein vom Heiligen Vater entsandter Priester traf in Paris ein. Offiziell übte dieser Mann die Funktion eines Privatsekretärs Torricellis aus, doch in Wahrheit war seine Mission das düsterste Geheimnis, mit dem D’Ambrizzi sich jemals konfrontiert sah: Er wurde in diese Sache nur deshalb hineingezogen, weil Torricelli sich entsetzt über die Geschichte zeigte, die dieser jüngst in Paris eingetroffene Priester ihm berichtete, und so wandte der Bischof sich unter dem Siegel allerstrengster Geheimhaltung an D’Ambrizzi.
Der neue Priester, den D’Ambrizzi in seinen Memoiren immer nur unter dem Decknamen Simon erwähnte, hatte aus dem Vatikan ein Dokument mit nach Paris gebracht, das all seine Aktionen für rechtmäßig erklärte. Dem Dokument war ein Begleitschreiben beigefügt, in dem erklärt wurde, daß es sich bei der besagten Urkunde um eine geheime historische Liste oder Akte über die kirchlichen Assassini handle – die getreuen Männer, welche für die Kirche mordeten, jene Killer, die von den Päpsten seit Jahrhunderten eingesetzt wurden. Die Liste datierte bis in die Renaissance, ja noch weiter zurück. Das Dokument war nur wenigen Menschen unter dem Namen bekannt, den es zu jener Zeit bekommen hatte, als aus einem der
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