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Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Zimmers, blieb stehen, lauschte.
    Vielleicht hatte der Spiegel sie getäuscht. Die Vorhänge bewegten sich immer noch leicht. Der Abendwind war kalt, schneidend.
    Es war niemand im Zimmer. Natürlich nicht.
    Sie ging auf den Balkon zu. Die Schiebetür war immer noch halb geöffnet; nichts hatte sich verändert. Es war alles Einbildung gewesen, ein Produkt ihrer überreizten Nerven.
    Sie öffnete die Schiebetür ganz, blickte hinaus auf den Balkon, auf den Tisch, hörte, wie der Straßenlärm, der von der Via Veneto heraufdrang, schlagartig lauter wurde. Sie holte tief Luft, seufzte vor Erleichterung und trat hinaus auf den Balkon. Tief unten auf der Straße sah sie die Lichterschlangen der Autos. Passanten. Leben. Realität. Niemand schlich durch ihre Wohnung, Blödsinn, nein, dort unten strömten Menschenmassen über die Gehsteige, dort unten waren Hunderte von Nachtschwärmern unterwegs, um sich irgendwo zu amüsieren. Das war die Realität. Sie drehte sich um, wollte zurück ins Wohnzimmer.
    Er stand im Türrahmen.
    Fünf Meter entfernt.
    Ein hochgewachsener Mann. Regungslos starrte er sie an.
    Er trug eine schwarze Soutane wie viele Tausende andere, die man täglich auf den Straßen Roms sehen konnte. Er stand ganz ruhig da, als erwartete er, daß sie irgend etwas sagte. Dann bewegte er die Lippen, doch er gab keinen Laut von sich.
    Warum gab er ihr noch Zeit, warum hatte er seinen Auftrag nicht schon im Bad erledigt, als sie in der Wanne gelegen hatte, oder im Wohnzimmer, als sie hinaus auf den Balkon geblickt und ihm den Rücken zugekehrt hatte? Jetzt konnte sie ihn deutlicher sehen.
    Er trat ins Licht. Sie sah die gräßliche leere Augenhöhle, sah das Weiß darin schimmern. Sie schrie.
    Instinktiv bewegten sich beide im gleichen Augenblick.
    Er kam auf sie zu, und sie trat zur Seite, packte den schweren silbernen Kerzenleuchter.
    Seine Hand grub sich in den Stoff ihres Bademantels. Sie riß sich von ihm los, schrie und spürte, wie der Gürtel sich öffnete, der Mantel auseinanderklaffte. Das eine Auge musterte sie starr.
    Ein totes Auge …
    Durch ihre gellenden Schreie und den Anblick ihres nackten Körpers für einen Moment aus dem Konzept gebracht, hielt der Mann – der Priester – inne, die kräftigen Arme ausgestreckt, mit denen er sie über das Geländer hatte schleudern wollen.
    In diesem Sekundenbruchteil erlangte Elizabeth die Fassung wieder, wappnete sich für den nächsten Angriff, und dann kam der Mann auch schon, trat auf sie zu, und sie schmetterte ihm den Kerzenleuchter zwischen seinen vorschießenden Armen hindurch ins Gesicht, zielte auf das weiße Auge, spürte, wie der Glaszylinder zerbrach und das Silber durch Haut und Fleisch drang und knirschend auf Knochen traf.
    Er stieß einen gedämpften Schrei aus. Sie stützte sich am Tisch ab und schlug erneut zu, legte diesmal ihr gesamtes Körpergewicht hinein. Er warf die Hände hoch; sein Gesicht war nur mehr eine blutüberströmte Maske. Er tastete mit vorgestreckten Armen nach ihr, tappte nach vorn, und sie stieß ihn in den Rücken. Er taumelte, stolperte gegen das Geländer, konnte sich halten, wandte sich um, und sie sah, daß sein Gesicht verschwunden war unter einem Meer aus rubinrotem Blut, in dem Glassplitter glitzerten wie unechte Diamanten, und sein Mund war geöffnet, doch kein Laut drang daraus hervor …
    Sie trat zurück, starrte ihn an, beobachtete seinen Todeskampf.
    Noch einmal straffte sich sein Körper; er schien sie anzublicken. Seine Arme waren ausgebreitet wie in einer flehentlichen Geste.
    Dann kippte er langsam nach hinten über das Geländer.
    Sie sah ihn stürzen, die Arme ausgestreckt; die Soutane blähte sich im Wind, flatterte, und er drehte sich langsam, während er fiel und fiel, lautlos, und das letzte Bild, das sie sah, war das eine gräßliche Auge, wie eine leuchtend rote Flamme …

VIERTER TEIL

1 DRISKILL
    Father Dunn brachte mich in die Realität zurück, in die Sicherheit. Es war, als reichte mir jemand die Hand und zöge mich hinauf, während ich an einem bröckeligen Felsvorsprung über einem Abgrund schwebte.
    Schon als ich ihn durch den kleinen Park, in dem die Kinder unter den aufmerksamen Blicken ihrer Mütter Fußball spielten, hatte kommen sehen, die Pfeife im Mundwinkel, war mir ein Stein vom Herzen gefallen, verkörperte Dunn doch die Welt der Vernunft, der Rationalität; sein Anblick riß mich aus dem Strudel der Gewissensbisse, der mich zu verschlingen drohte.
    Ich hatte versagt. Ich

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