Assassini
Armen trugen oder Kinderwagen vor sich herschoben, fühlte ich mich sicher. Die Villa Borghese in den Gärten war im siebzehnten Jahrhundert für einen Kardinal der gleichnamigen Familie erbaut worden. Der Park war riesig, der Rasen grün und gepflegt; eine Landschaft aus sanft gewellten, fichtenbestandenen Hügeln, kleinen Seen, Pavillons, stillen, beruhigenden Bildern, Wiesen und Auen. Die gewaltige Promenade der Piazza di Siena strahlte majestätisch im Sonnenlicht.
Wir liefen über den Rasen, am Ufer eines der Seen entlang. Das helle, glückliche Lachen einiger Kinder drang an unsere Ohren. Elizabeth lächelte ihnen zu. Kinder. Als ich mir all die adretten, dunkelhäutigen Italiener in ihrer schicken, modischen Kleidung ansah, die Mäntel lässig über die Schultern geworfen, einige mit Sonnenbrille, kam ich mir mehr denn je wie ein frisch verprügelter, arg lädierter Halbschwergewichtsboxer vor, der seit einer halben Ewigkeit keinen Kampf mehr gewonnen hatte: Ich hatte mein Gesicht im Spiegel betrachtet. Dunkle Ränder um die müden Augen, die Wangen eingefallen, die Haut grau, als hätte ich schon seit Jahren schrecklichen Ärger gehabt, nur daß das volle Ausmaß der Schäden erst jetzt, auf einen Schlag, sichtbar wurde. Was für ein hinreißender Bursche. Ein echter Frauentyp.
»Also«, sagte sie, »was ist so wichtig, daß ich sehr aufmerksam zuhören muß?«
»Wissen Sie, Schwester, ich möchte Ihnen etwas beichten.« Ich versuchte zu lächeln, und sofort wandte sie den Kopf zur Seite und blickte auf den See hinaus. »Als ich diese scheußliche Geschichte in Irland erlebt habe, bin ich Hals über Kopf in einige Dinge hineingestolpert, die ich Ihnen erzählen muß. Sie betreffen uns beide. Es war nicht gerade der leichteste Entschluß meines Lebens, bis ich mich dazu durchgerungen hatte, ihnen davon zu berichten …«
»Dann hätten Sie vielleicht besser darauf verzichten sollen«, sagte sie. »Überlegen Sie sich’s noch einmal, Ben.«
»Ich habe es mir tausendmal überlegt. Und dadurch fiel mir der Entschluß nicht gerade leichter. Tja, also … zuerst einmal, ich habe da oben in Irland die Nerven verloren. Ich habe es kommen sehen, und es war abscheulich. Es war, als hätte ich wie ein Außenstehender beobachten können, wie irgendein armer, verängstigter Teufel drauf und dran ist, den Verstand zu verlieren. Nur daß ich selbst dieser arme Teufel war. Der alte Ben Driskill war fix und fertig. Ich habe auch schon so manche Schläge einstecken müssen, glauben Sie mir, aber was ich dort erlebt habe, was im Kloster St. Sixtus passiert ist …« Ich wollte mich ihr anvertrauen, so, wie sie sich mir anvertraut hatte, wollte ihr etwas mitteilen, was ich niemandem sonst gesagt hätte, irgend etwas, das mich verwundbar machte. Ich wollte ihr zeigen, daß ich Vertrauen zu ihr hatte und Vertrauen in sie setzte. Das war meine Entschuldigung. »Ich hatte mich im Nebel verirrt, und die Brandung war so heftig, daß sie den Boden erbeben ließ. Dann habe ich diesen kleinen alten Mann mit durchgeschnittener Kehle in der Höhle gefunden, und ich hatte Angst, wieder nach draußen zu gehen, ins Freie … aber dann bin ich schließlich doch gegangen. Ich wollte aus der Höhle raus, so schnell wie möglich, aber ich hatte Angst, daß Horstmann draußen auf mich wartete. Er würde mich sehen, wenn ich die Höhle verließ, ich aber ihn nicht, und ich wußte, daß er mich töten wollte. Ich wußte, ich war verloren. Trotzdem bin ich rausgegangen, obwohl ich sicher war, daß das den Tod bedeutete. Ich war in der Höhle noch bei Verstand geblieben, und jetzt war es mir egal, ich war bereit, allem gegenüberzutreten, was auch immer draußen auf mich warten mochte.
Ich bin dann im Nebel herumgeirrt, bis ich irgendwas im Wasser sah, und als ich näher kam, da habe ich gesehen, daß es Bruder Leo war. Er war gekreuzigt worden, mit dem Kopf nach unten, und sein Gesicht war blau angelaufen, sein Körper aufgedunsen und blutüberströmt. Ein Arm hatte sich vom Kreuz gelöst und schwang im Wasser hin und her, als würde er mich zu sich winken. In diesem Moment habe ich erkannt, wozu Horstmann fähig ist, und ich wußte, wie hoffnungslos unterlegen ich ihm bin. Und er war dort irgendwo, ich sollte der nächste sein … Es war nicht bloß Angst, Elizabeth. Es war etwas viel, viel Schlimmeres. Ich war wie ausgehöhlt, ich war sicher, nicht mehr weiterkämpfen zu können, nie mehr.« Für einen winzigen Moment trafen sich unsere
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