Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Assassini

Assassini

Titel: Assassini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
Vom Netzwerk:
Blicke. Ich wollte, daß sie verstand, ich wollte, daß sie mich lossprach von der entsetzlichen Sünde des Schreckens. »Ich hatte das Gefühl, eins mit ihm geworden zu sein, Mörder und Opfer zugleich, zwei Unterzeichner ein und desselben Vertrages – er würde töten und ich würde sterben.
    Ich rannte los. Rannte wie ein Kind, das sich vor dem Schwarzen Mann fürchtet. Horstmann war in meinem Innern, wir waren eine Wesenheit. Und ich rannte, rannte, rannte, bis ich – ich weiß nicht wie – den Wagen erreichte, mein Herz schlug wie verrückt, bis ich endlich Meilen und Meilen weit fort war – ich wußte nicht, daß es eine solche Angst gibt.«
    Ich ging neben ihr her, die Hände in den Taschen, und starrte zu Boden, als wäre ich allein mit meiner Feigheit. Und genau in diesem Augenblick war ich allein.
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen. Sie haben auf die einzig vernünftige Weise reagiert.« Sie wollte die Hand ausstrecken, meinen Arm berühren; ich fühlte es. Doch im allerletzten Augenblick unterdrückte sie diese spontane Regung.
    »Ich hatte nicht einfach nur Angst«, sagte ich. »ich hatte die Hoffnung und den Willen zu überleben verloren. Ich wußte nicht, ob ich beides je wiedererlangen konnte. Ich wußte nicht wie. Wo. Ich wußte nicht, wozu das überhaupt noch gut sein sollte. Leben, Hoffnung. Die Angst ist immer noch da, ich kann sie nicht loswerden …«
    »Sie werden schon wieder zu sich selbst finden«, sagte sie. »Sie sind stark. Sie werden es schaffen. Sie sind wie Ihr Vater. Unerschütterlich.« Die Worte waren ihr spontan über die Lippen gekommen, bevor sie sie hatte zurückhalten können. Sonst hätte sie den Vergleich mit meinem Vater vermieden.
    »Das ist die zweite Sache, die mir klar geworden ist. Ich bin wie mein Vater. Er hat mich zu dem gemacht, was ich bin, wissen Sie. Geschaffen, geprägt, geformt. Nicht durch Liebe. Nicht durch sein Beispiel. Nicht durch Ermutigung … sondern durch Verachtung. Er hat das verachtet, was er als meine Schwäche betrachtete, und er hat mich in einen rohen, unversöhnlichen Mistkerl verwandelt. Ich kann einfach nichts dagegen tun. Ich bin der Sohn meines Vaters. Das ist mir bewußt geworden, nachdem ich aus Irland zurückgekehrt war – ich habe mich vor mir selbst geekelt, aber ich wußte, was ich wollte. Ich weiß, was ich will. Ich weiß, was ich zu tun habe, und ich werde es tun … aber in meinem Innern ist nichts mehr geblieben. Und es gibt nur eine Möglichkeit, diese Leere zu füllen …«
    »Ben«, unterbrach sie mich, »Sie haben schon damit angefangen. Sie werden wieder Sie selbst. Sie haben doch schon gezeigt, daß Sie wissen, was Sie tun müssen, um zu sich selbst zu finden.« Sie versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr nicht. Sie sah die Schwierigkeiten, die auf sie zukamen. Ich hatte mich nicht nur deshalb mit ihr getroffen, um mich für meine verbalen Ausfälle in Avignon zu entschuldigen, um einen winzigen Schritt zurück in Richtung Freundschaft zu machen. Sie erkannte, daß ich noch immer eine Gefahr für ihr Selbstverständnis als Ordensschwester bedeutete, daß ich jetzt unbequem werden würde – und bei der Nonne blinkten sämtliche Warnsignale auf. »Wissen Sie …«
    »Ich weiß. Das ist das Problem. Es gab nur einen Menschen, bei dem ich sein wollte, als Horstmann …«
    »Bitte, Ben, hören Sie auf.« Sie trat ein paar Schritte von mir weg. »Bitte, sagen Sie nicht …«
    »Das waren Sie«, sagte ich. »Ich wollte bei Ihnen sein. Ich wollte nur deshalb nicht sterben, weil ich bei Ihnen sein wollte. Dieser Wunsch war sogar noch viel stärker als der, Horstmann zu töten. Ich wollte bei Ihnen sein, Elizabeth, und ich weiß bei Gott nicht, was ich dagegen tun soll. Zwischen uns beiden ist alles schiefgegangen, aber ich habe mich daran erinnert – ich wußte, daß ich es wieder in Ordnung bringen konnte, wenn ich … wir wieder miteinander ins reine kommen. Aber ich habe mich vor Ihnen gefürchtet und dadurch alles nur noch schlimmer gemacht. Alles, was ich sage oder tue, ist falsch, ich scheine der Vergangenheit nicht entkommen zu können, den Katholiken …«
    Sie wandte sich um und ging davon.
    »Verflucht noch mal«, sagte ich, ohne ihr zu folgen, und es kam mir so vor, als spräche ich in einer mir fremden Sprache. »Ich liebe dich, Elizabeth.«
    Sie warf mir einen kurzen Blick über die Schulter zu. Ich glaubte zu sehen, daß sie weinte. Sie war leichenblaß. Auch sie sah

Weitere Kostenlose Bücher