Assassini
Aber ich bin kein frommer Mensch. Ich habe durch Worte und Taten Gott gelästert, und Pietro hat oft für das Heil meiner Seele gebetet. Indelicato hat ihn schon früh auf seine Seite gezogen, kurz nachdem wir die Wahrheit über Calixtus’ Gesundheitszustand erfahren hatten und wußten, daß es in absehbarer Zukunft einen neuen Papst geben würde. Und so wurde der arme Pietro zum Spion, zum Komplizen schmutziger Morde. Pietro wurde für August Horstmann zur Stimme Simons. Schließlich wußte jedermann, daß Pietro mein ›Schatten‹ war, mein engster Vertrauter. Darum konnte Pietro Horstmann alles mögliche erzählen, und Horstmann würde ihm glauben. Es war wie eine … eine Fernsteuerung. Als Sandanato mir erzählte, daß Driskill in Princeton beinahe von Horstmann ermordet worden wäre, war ich fast sicher, daß, ja, Sandanato mit Indelicato unter einer Decke steckte … und nicht nur er …«
Driskills flammender Blick war immer noch auf Sandanato gerichtet, der zusammengesunken im Stuhl saß, als strömte alles Leben, aller Wille aus seinem Körper. Er hatte sich seit seinem Ausbruch nicht mehr gerührt. Auch Ben Driskill schien sich in einer Art Trance zu befinden.
Elizabeth fragte: »Hat Horstmann das alles auf irgendeine Weise bestätigt? Oder sind das nur Spekulationen Ihrerseits?«
»Sie können sicher sein, Schwester, ich habe mich in den letzten beiden Tagen ausführlich mit August unterhalten. Er hat mir die Geschichte erzählt … er hat mir alles erzählt, was er wußte … auch wie er jenen Mann gefunden hat, der Ihnen diesen spätabendlichen Besuch abgestattet hat, Schwester, dieses arme Geschöpf, das Sie abschrecken sollte und statt dessen über das Geländer des Balkons gestürzt ist. Er war ein einfacher Mann. Er ist einst ein braver, tapferer Mann gewesen, der mir vor langer Zeit das Leben gerettet hat, ein Mann, der die Folterungen der Gestapo erleiden mußte, ein Mann, der ein Zuhause gefunden hatte und der es verdient gehabt hätte, sein Leben in Frieden zu beschließen. Ja, Schwester, darum konnte ich Ihnen auch versichern, daß das Morden mit dem heutigen Abend ein Ende hat.«
Ein fürchterlicher, beinahe tierischer Schrei der Verzweiflung und der Seelenqual kam über Sandanatos Lippen; es war der Schrei eines Mannes, der die Schrecken des Wahnsinns gesehen hatte, eines Mannes, der spürte, wie die Nägel durch seine Handflächen getrieben wurden und der erkannt hatte, daß er sein Leben für einen Götzen opferte. Er sprang auf, warf dabei den Stuhl um, stieß einen undefinierbaren Laut aus und taumelte zur Tür.
Auch Driskill war aufgesprungen; sein Gesicht war weiß vor Zorn. »Bleiben Sie hier!« Driskills Stimme peitschte durchs Zimmer. Die anderen saßen wie erstarrt.
D’Ambrizzi hob die Hand, als Sandanato taumelnd an der Tür verharrte. Auf seinem Kinn glitzerte Speichel. Seine Blicke huschten gehetzt und verwirrt von einem zum anderen, als könnte er nicht glauben, was hier vor sich ging, doch er war noch immer Pietro Sandanato, und dies hier war Realität. Schließlich blieben seine Augen auf Elizabeth’ Gesicht ruhen. Sie schrak innerlich zusammen, erwiderte jedoch fest seinen Blick.
»Sie«, flüsterte Sandanato, »Sie verstehen mich … wir haben uns doch unterhalten … wir waren einer Meinung, daß die Kirche geläutert werden muß … das Böse im Dienst des Guten – Sie erinnern sich doch, Schwester … können Sie ihnen nicht klarmachen, was getan werden muß, um …« Seine Stimme brach. Er wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. »Sagen Sie es ihnen … um Himmels willen!«
»Wir haben nie darüber … nicht, was Sie getan haben …« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das ist allein Ihre Verrücktheit.«
»Gehen Sie, Pietro«, sagte D’Ambrizzi. Die Tür schloß sich leise hinter ihm. Er war fort.
»Nun, Eminenz«, sagte Drew Summerhays mit seiner trockenen, nüchternen Stimme. »Was wünschen Sie jetzt von uns? Was ist mit Indelicato? Er hat diese blutige Maschinerie in Gang gesetzt … und nun ist er beim Heiligen Vater. Geben Sie uns einige Orientierungshilfen.«
»Alle Spekulationen über die Person des nächsten Papstes sind müßig. Der Wille Gottes und der Menschheit wird sich bald offenbaren.« D’Ambrizzi war plötzlich sachlich und gelassen.
»Zum Teufel mit Gottes Wille! Verschonen Sie mich mit Ihrem ganzen scheinheiligen Dreck!« Driskills Stimme zerriß die immer noch betretene Stille. »Nicht Gott
Weitere Kostenlose Bücher