Assassini
viel Leid und Ärger verursacht.« Er hielt inne, schürzte die wulstigen Lippen. »Nein, das stimmt nicht. Jedenfalls ist es eine Art … Akte der Heimsuchungen. Dies ist das geheime Konkordat der Borgia. Wie könnten wir es noch bezeichnen? Beinahe als eine Charta der Assassini, würde ich sagen. Pius hat mich damit nach Paris geschickt. Er hat behauptet, diese Urkunde würde mir Recht und Macht verleihen, würde mir die richtigen Entscheidungen eingeben, das zu tun, was für die Kirche getan werden müsse. Ich habe es mit Leo und Horstmann nach Norden geschickt und nun ist es hier. Eine Namensliste.«
»Wie ist das Dokument hierher gekommen?« fragte ich.
»Horstmann hat es mir gestern ausgehändigt, und ich habe es Calixtus gegeben. Er hat es noch nie zu Gesicht bekommen. Ich wollte, daß er seinen Namen darauf sieht. Nun -’ was sollen wir damit anfangen? In den Geheimen Archiven verstecken?« Es war eine rein rhetorische Frage. »Nein, ich glaube nicht. Es ist ein Relikt. Wir alle können auch ohne dieses Stück altes Pergament leben, meinen Sie nicht auch?«
Er ließ das Konkordat der Borgia in einen großen Ascher fallen, der auf dem Schreibtisch stand, und holte sein goldenes Feuerzeug hervor. Die Flamme zuckte auf, und er führte sie an eine Ecke des jahrhundertealten Pergaments. Ein langes, dunkles Kapitel Kirchengeschichte verwandelte sich in Sekundenschnelle in Asche und Rauch.
Dunn beobachtete die Szene kopfschüttelnd. D’Ambrizzi blickte zu ihm hinüber. »Wer hätte es denn noch brauchen können, Father? Niemand. Es hat nur wenig Gutes bewirkt.«
Während wir auf das Eintreffen des Arztes warteten, schauten wir uns die Videoaufzeichnung des Fußballspiels an.
Dann trat Dr. Cassoni ins Zimmer und machte sich daran, sehr spezielle Vorbereitungen zu treffen.
Einige Zeit später sah es tatsächlich so aus, als wäre Kardinal Indelicato völlig unerwartet einem schweren Herzanfall erlegen.
Man einigte sich, die Nachricht von Kardinal Indelicatos Ableben sechsunddreißig Stunden später an die Medien zu geben. Bis dahin wollte ich mich schon in einer Maschine Richtung Staaten befinden. Ich wollte nach Princeton, zurück in eine Welt, die ich begreifen konnte. Ich brauchte jetzt nur eins, das wußte ich: Erholung. Und ich wollte meinen Vater sehen. Ich hatte vieles erlebt, vieles erfahren, seit ich Princeton verlassen hatte, aber daß ich mit dem Ergebnis zufrieden war, konnte ich nicht behaupten. Nichts war so ausgegangen, wie ich es mir erhofft hatte. Vor allem: Horstmann lebte noch, der Mörder Vals, der nun sogar als armes, irregeleitetes Opfer in Indelicatos großem Plan hingestellt wurde. Und wer, in Teufels Namen, war Archduke? Vielleicht war das alles Indelicatos und Archdukes gemeinsamer Plan gewesen; ich wußte es nicht. Und Horstmann war verschwunden, war zurückgeschickt worden in die Finsternis, aus der er gekommen war. Ich hatte keine Chance mehr, Val zu rächen.
Und dann war da noch die Sache mit Monsignore Pietro Sandanato. Ich wurde nicht recht schlau aus ihm. Sicher, er war ein überdrehter religiöser Fanatiker, ein Zelot oder schlicht und einfach ein Verrückter. Was mochte er jetzt tun? Wie konnte er sich noch selbst in die Augen blicken, nachdem er seinen Freund und Mentor verraten hatte und sein Komplize und neuer Förderer tot war? Ich ging davon aus, daß D’Ambrizzi in seiner Weisheit und offenbar gottgleichen Macht innerhalb der Kirche die Blamage vertuschen würde, über viele Jahre hinweg einen mörderischen kleinen Dreckskerl an seinem Busen genährt zu haben. Er würde Pietro auf einen verborgenen Posten an einem noch verborgeneren Platz abschieben.
Vielleicht hätte ich überraschter oder schockierter oder sogar bestürzter darüber sein sollen, daß Calixtus Indelicato ermordet hatte, aber im Gesamtzusammenhang betrachtet erschien mir der Mord irgendwie folgerichtig. Calixtus war einer der Assassini gewesen; er war seinem Anführer in die verschneiten Berge gefolgt, um einen Papst zu töten. Und nun, vierzig Jahre später, erinnert derselbe Anführer ihn daran, daß er einst zu den Assassini gezählt und daß sie zwar damals ihren Papst nicht erwischt hatten – aber wer sollte sie nun daran hindern, einen Möchtegern-Papst ins Jenseits zu befördern? Denn wenn man erst mal zu der Einsicht gelangt ist, überhaupt fähig zu sein, einen Menschen töten zu können, dann ist eine entsprechende Tat später nur noch eine Frage der passenden Umstände und einer
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