Assassini
nächste Mal etwas von Ihnen höre, ist es dann die Nachricht, daß Sie der neue Papst geworden sind?«
»Kann sein. Falls ich es wünsche, wird Summerhays mir wahrscheinlich den Papstthron kaufen. Aber ich werde alt. Braucht die Kirche jetzt auf lange oder auf kurze Sicht einen Oberhirten? Das ist die Frage, nicht wahr?«
Wir gingen zum Tor, durch das ich den Garten betreten hatte. Der Groschen war gefallen: Vergib Archduke … weil er dir vielleicht den Papstthron kaufen kann!
»Ich glaube, ich werde noch eine Weile Spazierengehen, Benjamin.« D’Ambrizzi schaute mich aus seinen schwerlidrigen Augen an. Es schien, als spähte ein anderes Wesen in diesem gealterten, massigen Körper heraus, gerissen, intrigant, hin und wieder aber auch voller Gefühle – ein Wesen, das sich schlecht und recht durchgeschlagen hatte und sich nun wieder in seine schützende Hülle zurückzog. »Aber ich möchte Ihnen einen kleinen Rat mit auf den Weg geben. Wann machen Sie sich auf die Heimreise?«
»Morgen«, sagte ich und blickte zum Horizont. Die Sonne ging unter, und die Palmen wirkten vor dem Hintergrund der sich allmählich verdüsternden, grauen Kuppel des Himmels einsam und trist. Ich legte keinen sonderlichen Wert auf D’Ambrizzis Ratschlag, aber er war ein knorriger alter Bastard, der sehr viel mehr überlebt hatte, als mir jemals widerfahren würde. Vielleicht war es doch besser, ihm Gehör zu schenken.
»Vergeben Sie sich selbst, Benjamin.«
»Wie bitte, Eminenz?«
»So lautet mein Rat. Vergeben Sie sich selbst. Sie sollten sich an mir ein Beispiel nehmen. Ich weiß nicht, was Sie getan haben, aber Sie haben in letzter Zeit gewiß die Erfahrung gemacht, daß es immer sehr, sehr viel schlimmer kommen kann, als man glaubt. Das gehört meiner Meinung nach ganz einfach zum Leben. Einem jeden widerfährt einmal etwas Schlimmes … und ein jeder tut auch mal etwas Schlimmes.« D’Ambrizzi versuchte, sich in der frischen Brise eine seiner schwarzen Zigaretten anzuzünden, was ihm schließlich auch gelang. Er nahm einen tiefen Zug, sagte: »Vergeben Sie sich selbst ihre Fehltritte, ihre Schuld, Ihre Sünden … Und das meine ich nicht als Geistlicher, nicht einmal als Katholik, sondern als ein Mensch, der sein Leben gelebt hat. Vergib dir selbst, mein Sohn.«
Artie Dunn ließ mich wissen, daß er noch ein paar Tage in Rom bleiben wolle – zweifellos, um mit D’Ambrizzi noch irgendein gottloses Komplott auszuhecken –, und so nahmen wir an diesem Tag unser letztes gemeinsames römisches Abendessen ein. Er schien irgend etwas auf dem Herzen zu haben, konnte oder wollte aber nicht damit herausrücken. Jedenfalls kamen wir irgendwie auf meine Eltern und Vals Tod und auf die alte Selbstmordgeschichte zu sprechen – auf Father Governeau, der seine ewige Ruhe außerhalb der Friedhofsmauern in ungeweihter Erde verbringen mußte. Ah, Gott ist groß, Gott ist gut. Artie bat mich, meinem Vater die besten Genesungswünsche zu überbringen und ihm ordentlich Dampf zu machen, doch mal die Romane zu lesen, die er ihm ans Krankenbett gelegt hatte. Er sagte, er würde sich telefonisch melden, sobald er wieder in New York sei.
Über das Ableben Indelicatos und Sandanatos tauschten wir nur einige wohlüberlegte, zurückhaltende Bemerkungen aus. D’Ambrizzi hatte auch Dunn von Sandanatos Tod unterrichtet. Wir wußten, daß es besser war, diese Dinge ausführlicher zu erörtern, sobald der Staub sich ein wenig gelegt hatte.
»D’Ambrizzi hat heute nachmittag etwas gesagt … also, das war ein ziemlicher Knüller.« Wir waren auf dem Rückweg zum Hotel Hassler und stiegen die Spanische Treppe hinunter.
»Ich habe ihn gefragt, ob er glaubt, zum Papst gewählt zu werden …«
»Das haben Sie ihn einfach so gefragt?« Dunns buschige Brauen hoben sich; seine Augen blinzelten verschmitzt.
»Es geht darum, was er gesagt hat …«
»Und das wäre?«
»Sollte er sich entschließen, Papst zu werden, steht Summerhays schon mit dem nötigen Geld bereit, ihm dieses Amt zu kaufen. Summerhays.«
»Das kann man nicht gerade als Sensationsmeldung bezeichnen, Ben. Die Kirche, der Vatikan, ist eine Wachstumsindustrie, nicht wahr? Betätigungsfeld vieler einflußreicher Männer. Summerhays, Ihr Vater, Heffernan … und andere, da bin ich sicher.«
»Sie haben mich mißverstanden. Es geht um Summerhays. Archduke. Erkennen Sie denn nicht, wie mies diese … Transaktion ist? Archduke hat D’Ambrizzi vor vierzig Jahren an Indelicato und den
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