Assassini
überzeugenden Motivation. Vierzig Jahre waren vergangen, und Calixtus, einst Salvatore di Mona, hatte immer noch das Zeug zu einer solchen Tat gehabt. Nun ja, er war nicht der erste sterbende Papst gewesen, der zum Mörder geworden war. Und meinen Segen hatte er. Die Kirche würde von weiteren so hochrangigen Mördern zweifellos nur profitieren können.
Am späten Nachmittag bat mich Kardinal D’Ambrizzi zu sich. Noch wußte, von ein paar Eingeweihten abgesehen, niemand von Indelicatos folgenschwerem Herzanfall. D’Ambrizzi hatte mich gebeten, in die vatikanischen Gärten zu kommen. Dort wurde ich von einem lächelnden, rundgesichtigen Priester in Empfang genommen und eskortiert, der sich in den höchsten Tönen darüber ausließ, was für ein schöner Tag heute doch sei.
Der Kardinal schlenderte über einen der Gehwege; die Ärmel seiner schlichten Soutane flatterten im kühlen Wind, der unter den Palmen entlangstrich. Gärtner waren bei der Arbeit. D’Ambrizzi hielt den Kopf gesenkt, als ruhten seine Augen auf den knolligen, gewölbten Kappen seiner altmodischen Stiefel.
Als ich bei ihm angelangt war, hakte er sich bei mir ein, und so schritten wir eine Weile wie gute alte Bekannte durch die Parklandschaft. Ich fühlte mich ihm in der Tat seltsam nahe, wie ein vertrauter Freund – was natürlich bloße Einbildung war. Ich schob meiner Erschöpfung die Schuld für dieses Hirngespinst zu. D’Ambrizzi hielt an und sah einem Gartenarbeiter zu, der eine Schubkarre voller schwerer schwarzer Erde vor sich herschob.
»Schauen Sie, dieser Mann dort«, sagte er zu mir. »Sie könnten sagen, er habe Schmutz an den Händen. Nun, Benjamin, ich habe heute meine Hände betrachtet – in einem der seltenen Augenblicke, in denen ich Gewissenserforschung betreibe, verstehen Sie –, und meine Hände kommen mir sehr viel schmutziger vor. Ich habe sie viele Jahre mit Dreck beschmiert. Von Zeit zu Zeit muß ich an diese Metapher denken, und, bei Gott, immer, immer tut es weh. Schmutzige Hände, saubere Hände, was macht das schon aus, sollte man meinen, nicht wahr? Aber es macht etwas aus, und ich werde Ihnen sagen warum, Benjamin. Soll ich es Ihnen sagen?«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte ich.
Er grinste, zuckte die Achseln. »Weil es dabei immer um Menschen geht, Benjamin. Um Menschen. Ich vermisse zum Beispiel Sandanato jetzt schon … ich werde ihn nie im Licht der letzten beiden Jahre sehen können, als Komplize eines Mörders. Er wird für mich immer der ernste junge Pietro bleiben, der treu zu mir stand … ja, ich werde ihn für den Rest meines Lebens vermissen.«
»Was haben Sie mit ihm gemacht? Ihn abgeschoben?«
»Ich habe gar nichts gemacht. Mein alter Freund August Horstmann hat ihn letzte Nacht getötet. Weil Pietro mich verraten hat, wissen Sie. Als Horstmann erfahren hatte, daß Pietro die Rolle Simons gespielt hat – oh, damit hatte er sich etwas Schlimmes eingebrockt. August hat hin und wieder Botschaften an mich geschickt in der festen Überzeugung, daß sie an jenen Simon weitergeleitet würden, den er von früher her kannte. Aber Pietro hat die Nachrichten zuerst gelesen und den armen August glauben gemacht, daß er für mich arbeite. Er hat ihn betrogen, und darum hat August das getan, was er für recht und billig hielt: Pietro getötet. Die Polizei war vorhin bei mir, um mich davon zu unterrichten. Eine einzige Kugel. In den Hinterkopf. Ich habe Sie daraufhin sofort hierherrufen lassen.«
»Genauso ist meine Schwester ermordet worden.«
»Tja, jetzt ist es vorbei. Horstmann ist verschwunden. Sandanato ist tot. Calixtus liegt im Koma, und Dr. Cassoni meint, er wird nicht mehr daraus erwachen. Benjamin, was würde wohl passieren, wenn uns die Priester ausgingen?«
»Das möchte ich wirklich zu gerne erleben«, sagte ich.
D’Ambrizzis Lachen dröhnte in der stillen Weite des Gartens. »Das würde Ihnen gefallen, nicht wahr? Aber der arme Pietro hätte das nicht für sonderlich witzig gehalten.« Er blickte mich scharf an. »Er hatte keinen Sinn für Humor. Vielleicht war das sein großer Fehler.« Er zuckte die Achseln.
»Er hatte noch andere große Fehler.«
»Sie haben recht.« In der Stimme des alten Mannes lagen wehmütige Erinnerungen und ein wenig Trauer.
»Da ich nun mal ein ausgesprochener Heide bin …«
»Sie haben schon wieder recht.«
»… und da ich nicht den gebotenen Respekt vor Klerikern habe, darf ich Ihnen eine unverschämte Frage stellen. Wenn ich das
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