Assassini
gewisser Weise«, sagte Dunn, »trifft das zu.«
»Jawohl«, bemerkte D’Ambrizzi todernst, »dieser Mensch hat einen folgenschweren Infarkt erlitten.« Er zog den Dolch langsam aus Indelicatos Brust. Er nahm mehrere Papiertaschentücher aus einer Schachtel, die auf dem Nachttisch stand. Mit den Tüchern wischte er die Klinge ab. Er ging durchs Zimmer, zog eine Schublade des Schreibtisches auf und legte den Dolch hinein. »Florentinisch. Eine sehr schöne Arbeit. Hervorragende Qualität.« Er schob die Lade zu.
»Man bekommt nicht oft einen derart blutigen Herzinfarkt zu sehen.«
»Benjamin, Sie sind kein Arzt, also tun Sie nicht so, als würden Sie etwas von Dingen verstehen, die Sie nicht wissen können.« Er nahm den Hörer auf. »Eine nicht amtliche Verbindung«, erklärte er uns beiden. »Die Gespräche laufen nicht über das vatikanische Telefonnetz.« Er wählte eine Nummer und wartete. »Dr. Cassoni, hier D’Ambrizzi. Haben Sie schon Ihren Schlafanzug an? Nein? Gut. Ich bin beim Heiligen Vater. Er ist bewußtlos. Atmung normal. Sie sollten sich ihn besser mal ansehen. Und noch etwas, Cassoni. Ich habe hier außerdem eine Leiche. Herzanfall. Alles weitere sage ich Ihnen, sobald Sie hier sind. Beeilen Sie sich. Und kommen Sie allein. Haben Sie verstanden? Braver alter Junge.« Er legte auf und warf einen Blick auf den Leichnam seines Amtskollegen. »Wir mögen vielleicht nicht wissen, wen der Heilige Vater gern als seinen Nachfolger sehen möchte. Aber sein Verhalten Fredi gegenüber läßt einen gewissen Mangel an Sympathie erkennen, finden Sie nicht auch?« Er ging zu seinem alten Feind hinüber und betrachtete dessen langes, ausgemergeltes Gesicht. »Tja, Fredi, ich werde dir keine Träne nachweinen. Du warst hier auf Erden ein elender Hurensohn und hast genau das bekommen, was du verdient hast. Jetzt, fürchte ich, wird auch der Herrgott dir einen Tritt in den Hintern geben.«
Er wählte eine weitere Nummer und wandte mir den Rücken zu, als ich nun um das Bett herumging und versuchte, mir einen Reim darauf zu machen, was hier eigentlich geschehen war. Natürlich, ich wußte sehr genau, daß dies immer noch zu dem großen Spiel gehörte, an dem wir alle beteiligt waren: D’Ambrizzi, Indelicato, Calixtus, der einst Sal di Mona gewesen war, Horstmann, Summerhays, sogar Dunn und ich.
In den Falten der Bettdecke sah ich ein vergilbtes Papier oder Pergament sowie ein Teil von einem roten wächsernen, brüchigen Siegel. Ich streckte gerade die Hand danach aus, als ich auf irgend etwas trat, das offenbar vom Bett gerutscht war. Es war ein einzelnes Blatt Papier, mit nur ein oder zwei handgeschriebenen Zeilen.
Ich las, was dort stand, und die Farce, die sich in diesem Zimmer abspielte, nahm schlagartig Gestalt an. Ich faltete das Blatt zusammen und ließ es rasch in der Hosentasche verschwinden.
D’Ambrizzi sagte in den Hörer: »Mein lieber Kardinal Vezza, bitte, entschuldigen Sie, daß ich Sie zu so nachtschlafener Stunde störe. Ja, Eminenz, ich fürchte allerdings, daß es sich um eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit handelt. Fredi Indelicato ist von uns gegangen … Nein, Sie haben mich mißverstanden, ich wollte damit sagen, er ist tot, Vezza, mausetot … O ja, gewiß, eine schreckliche Tragödie. Welch ein Verlust, ganz recht. In jungen Jahren? Ach so, ja, in Ihren Augen schon, sicherlich.« D’Ambrizzi kicherte leise. »Ich glaube, es wäre klug, wenn Sie uns ein wenig Gesellschaft leisten. Wir sind im Schlafzimmer des Heiligen Vaters. Ich habe Cassoni bereits angerufen. Nein, sonst weiß niemand … je eher, desto besser, mein lieber Vezza.«
Als er den Hörer aufgelegt hatte, fragte ich: »Warum Vezza?«
»Einer meiner Verbündeten. Er ist mein Spion im feindlichen Lager. Ein Mitglied von Kardinal Polettis kleiner Gruppe von Indelicato-Sympathisanten. Vezza ist unbezahlbar, wirklich. Wissen Sie was? Diese Herrschaften sind sogar so weit gegangen, eine Wanze am Sauerstoffgerät des Heiligen Vaters anzubringen, so daß sie dessen Gespräche mit meiner Wenigkeit mithören konnten. Nein, also wirklich. Einerseits habe ich Calixtus motiviert, ihm einen Schubs nach dem anderen gegeben … und habe dadurch gleichzeitig Polettis Bande aufgestachelt. Es ist eine verrückte Welt, Benjamin.«
Während ich wartete und den Atemgeräuschen Seiner Heiligkeit lauschte, bemerkte D’Ambrizzi das Pergament, das auf der Decke lag. Er beugte sich über das Bett und hob es auf. »Das hier hat sehr
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