Assassini
es anders, schlimmer. Damals hatte ich das Gefühl gehabt, jemand hätte mir eine Kugel in den Kopf gejagt. Dies hier war anders und komplexer und um so vieles verderbter und widerlicher und schändlicher … es gab keine Umschreibung dafür. Anders und schlimmer und unaussprechlich, weil es mir durch den Körper fuhr wie ein Messerschnitt, weil es mein Innerstes aufschlitzte, und weil die Dämme brachen und mein Haß aus mir strömte und sich mit dem Haß meines Vaters vermischte, und ich wußte, daß heute der Abend gekommen war, da wir beide in unserem Haß ertrinken würden.
Die Schallplatte stammte aus dem Jahre 1966. Es war eine Aufnahme mit Josef Suk, Josef Chuchro und Jan Panenka.
Obwohl das Stück gemeinhin unter der Bezeichnung Trio Nummer Sieben in B-Dur Opus 97 bekannt war, besaß es noch einen weiteren Namen. Es war das Stück, das mein Vater und D’Ambrizzi damals an jenem Abend in Rom mit so großer Begeisterung gehört hatten, lange vor dem Krieg, bevor die beiden Männer ihren Weg gegangen waren, ihren jeweiligen Bestimmungen entgegen -das Stück hatte zwei Namen. Und der zweite Name stand klar und deutlich auf der eselsohrigen Schallplattenhülle. Es war das ›Erzherzog‹-Trio.
Das › Archduke ‹ -Trio.
Schließlich legte ich die Platte auf, schaltete das Gerät ein. Der Tonarm schwebte bis zum Plattenrand, senkte sich. Meine Hände zitterten.
Ich drehte mich zu meinem Vater um.
»Val hatte die ganze Wahrheit herausgefunden, nicht wahr?«
»Ich habe es dir schon gesagt, Ben. Deine Schwester war völlig im Irrtum …«
»Val wußte, daß du es warst. Irgendwie hatte sie es herausgefunden. Sie kannte die ganze verfluchte Geschichte …« Ich atmete so heftig, daß es mir unglaublich schwer fiel, zu sprechen. »Sie wußte, daß du Archduke bist.«
»Was redest du da?«
»Sie wußte, daß du Archduke bist. Sie wußte, daß du dich mit Indelicato verbündet hattest, um D’Ambrizzi den Weg zum Papstthron zu versperren …«
»Du Narr! Du begreifst überhaupt nichts!«
»Sie ist hierhergekommen, nach Hause, um dich zu warnen. Sie hat dir gedroht, an die Öffentlichkeit zu gehen – du hast an dem Tag, als sie ermordet wurde, mit ihr gesprochen. Dein Alibi ist mir scheißegal, dein Treffen in New York … ob das der Wahrheit entspricht, ist niemals nachgeprüft worden, und du bist Hugh Driskill, um Himmels willen, du hättest dir als Alibi sogar einen Termin beim Präsidenten beschaffen können … Val hat versucht, dich dazu zu bewegen, sie davon zu überzeugen, daß sie sich geirrt hat, daß das alles nicht wahr sein konnte … und du, du gottverfluchtes Monstrum, hast dafür gesorgt, daß Horstmann sie ermordet! Du mußtest die ganze dreckige Verschwörung retten, sie durfte nicht auffliegen … und darum« – ich erstickte fast an meiner Wut, und in meinem Schädel schien ein rotglühender Feuerball zu toben und mein Hirn zu zerschmelzen –, »darum mußte Val sterben.«
Die Musik drang durchs Zimmer, und das Glas fiel meinem Vater aus der Hand, prallte auf den Steinfußboden und zerplatzte klirrend.
»Ich mußte die Kirche retten!« Er taumelte zurück, mit aschfahlem Gesicht, und stürzte schwer auf die Glassplitter. Er blickte auf seine Hand, die blutverschmiert war, denn Splitter waren ihm in die Handfläche gedrungen. »Ich mußte opfern, was ich auf der Welt am meisten geliebt habe! Es ging um die Kirche, Ben. Die Kirche!«
3 DRISKILL
Man sagt, die Beichte ist gut für die Seele, doch als ich meinem Vater zuhörte, begann ich mir ernsthaft Gedanken über seine Seele zu machen. Er hatte sie vor so langer Zeit verkauft, daß ich mir keine Beichte vorstellen konnte, mit der er sie hätte zurückgewinnen können. Seine Seele war verschwunden, was immer die Seele sein mochte, und was ich vor mir sah, war nichts weiter als ein Wrack, ein Mensch, in dessen Innern sich nur noch Kummer und Sorge und eine nie erlahmende Fähigkeit zu Verrat und Niedertracht befanden, alles im Namen seines Gottes und seiner verdammten unvergänglichen Kirche. Es war, als hätte er sich einem Raubtier verschrieben, ihm gehuldigt, ihm gedient, für diese Bestie getötet und ihr Nahrung verschafft, um am Ende selbst verschlungen zu werden.
Er saß auf dem steinernen Sims neben dem Kamin, an die Wand gelehnt, und redete, wobei er seine blutigen Hände fest in den Schoß drückte, der große Hugh Driskill, der einst beinahe ins Weiße Haus eingezogen wäre, der ein immenses Vermögen besessen und
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