Assassini
gelehnt und ließ den Whisky im Glas kreisen. Die Flammen, die sich im geschliffenen Kristall wie in einem Prisma brachen, zogen meinen Blick auf sich. So müde und eingefallen Vaters Gesicht auch erschien – jetzt bot er wieder ein Bild der überheblichen Selbstzufriedenheit in seiner grauen Hose, dem gelben Hemd und der perlgrauen Kaschmirjacke. In seinen stumpfen Augen war wieder Leben. Das alles war darauf zurückzuführen, daß mein Verhalten sich geändert hatte. Ich sah, wie sich meine Gefühle plötzlich in seinem eisigen Blick widerspiegelten. Er genoß meine Aggressivität. Er konnte sie fühlen. Er sog sie in sich auf, gewann neue Kraft daraus.
»Val hat die Fragen über Governeau deshalb gestellt, weil sie sich an etwas Bestimmtes erinnerte, das Mutter sowohl Val als auch mir gesagt hat. Ich habe das, was unsere Mutter gemeint hat, erst vor wenigen Stunden begriffen, nachdem ich sie jahrelang nicht …«
»Deine Mutter? Du ziehst ihre arme Seele in diese Sache hinein? Tust du das bewußt? Oder stehst du unter dem Einfluß ihrer Dämonen?« Das Feuerholz in Kamin prasselte, und der Wind jaulte hohl durch den Schornstein. »Bist du sicher, daß du nicht auf dem Holzweg bist?«
»Du hast Father Governeau ermordet«, sagte ich. »Das war es, was Val auf dem Herzen lag.«
»Also gut«, sagte mein Vater nach einer langen Pause, »er wurde ermordet.« Seine Stimme war so ruhig und leise, wie ich es nur ein-, zweimal im Leben erlebt hatte. »Du bist auf der richtigen Fährte. Aber es war nicht dein frommer Vater. Wenn ich den erbärmlichen Schweinehund getötet hätte, dann hätte ich es zugegeben, und ich wäre ein Held gewesen. Ein Held, Ben. Aber ich habe ihn nicht ermordet – ich habe nur einen Narren aus mir gemacht und mir selbst eine Menge Ärger bereitet. Aber es blieb mir keine andere Wahl. Ich mußte es tun. Ich habe seine Leiche hinten im Obstgarten aufgeknüpft – du mußt wissen, ich war halb verrückt und halb betrunken. Die ganze Sache hatte die Atmosphäre eines Halloween-Spuks angenommen … Ich habe jeden verdammten Hebel in Bewegung gesetzt, den ich in die Hand bekommen konnte, um die Wahrheit zu vertuschen. Du kannst mir glauben oder nicht. Es gibt Risiken, die ein Mann eingehen muß, Ben.« Er nippte am Scotch und blickte mich an.
»Was soll das heißen? Warum sollte man etwas vertuschen, wenn man nichts zu befürchten hat? Und warum wärst du ein Held geworden, wenn du ihn ermordet hättest?«
»Ritterlichkeit. Stell dich nicht so dämlich an, Ben. Deine Mutter hat Governeau ermordet. Sie hat das übrigens sehr gründlich erledigt.«
Meine Knie zitterten plötzlich. Der Weihnachtsbaum schien zu schwanken. Er stahl sich vor mir davon, dieser Mann, den ich so lange gehaßt hatte. »Was faselst du da?«
»Deine Mutter war eine seltsame Frau – mein Gott, wie schrecklich und prosaisch sich das anhört! Sie war krank, und das sehr lange Zeit. Es war nicht bloß ihre Trinkerei – aber ich habe nicht die Absicht, dieses spezielle Thema im Gespräch mit dir, ihrem Sohn, zu vertiefen. Sie hätte es verdient gehabt, in Würde zu ruhen, doch alles, was ich dir jetzt noch sagen werde, wird nicht mehr viel von ihrer und anderer Menschen Würde übriglassen. Als Father Governeau der Schädel eingeschlagen wurde … also gut, ich werde dir erzählen, was passiert ist, weil ich Augenzeuge war.« Er seufzte, machte ein finsteres Gesicht. »Es wäre mir lieber gewesen, du hättest dieses Thema nicht aufgebracht. Weiß Gott, das wünschte ich. Du bist mein Sohn, aber du bist eine Art Ungeheuer, Ben – du weißt nie, wann es dir gutgeht, das liegt in deiner Natur. Was ist nur in dich gefahren? Du kannst dich einfach nicht benehmen. Val hat es auch nie gekonnt. Es muß ein entartetes Gen in eurer Erbmasse gegeben haben, nehme ich an.« Er schenkte sich einen weiteren Scotch ein. »An jenem Abend hat man mich nicht zu Hause erwartet. Ich hatte eine Besprechung in New York. Das alles liegt ein halbes Jahrhundert zurück, aber ich kann mich noch an jede Einzelheit erinnern. Die Besprechung wurde in letzter Minute auf einen späteren Termin verschoben. Ich fuhr zurück nach Hause. Kam gegen halb zehn abends in Princeton an. Es war Winter. Es schneite. Es war kalt. In der Auffahrt stand ein alter Chevrolet, und in der Kapelle brannte Licht. Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht. Ich habe meinen Wagen in die Garage gefahren, habe dabei den üblichen Lärm gemacht und bin ins Haus gegangen … Tja, sie
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