Assassini
gefolgt von einem plötzlichen eisigen Windhauch. Er sah mitgenommen und müde aus. Er grüßte freundlich, zog seinen Trenchcoat aus und legte ihn sich über den Arm. Darunter trug er seine schwarze Priesterkleidung mit dem weißen Kragen. »Wie geht es Ihrem Vater?«
»Unverändert«, sagte ich, »Aber woher wissen Sie davon?« Ich hielt auf dem Weg zum Long Room abrupt inne, und er ging an mir vorbei und warf seinen Mantel über einen der Holzstühle am Tisch.
»Kardinal Klammer. Sie haben ihn angerufen, nicht wahr?«
»Nein. Er hat mit meinem Vater gesprochen und ihm von Lockhardt und Heffernan berichtet. Dann ist es passiert.«
»Nun, ich habe einige Stunden mit Klammer verbracht und versucht, ihn davon abzuhalten, nackt über die Fifth Avenue zu rennen und hinauszuschreien, daß er nichts mit all dem zu tun hat. Seine Eminenz und Lockhardt waren nicht gerade befreundet, wissen Sie. Darum betrachtet Klammer sich absurderweise als Tatverdächtigen. Er ist ein bißchen verrückt. Klammer lebt noch im sechzehnten Jahrhundert, müssen Sie wissen, als Männer noch Männer waren. Darf ich Sie um einen kleinen Tropfen von dem Laphroaig bitten?« Ich schenkte ihm ein Glas ein, on the rocks, und er leerte es zur Hälfte. »Darum ist Klammer nicht gerade derjenige, der den beiden am meisten nachtrauert, aber ein Mord -sozusagen in seinem Vorzimmer – erfordert ein rasches Wechseln der Unterwäsche.« Dunn ließ ein rasches Lächeln aufblitzen. Ich schenkte auch mir einen Drink ein. »Ich habe ihm von Schwester Valentine berichtet. Ich mußte es tun – ich darf wohl behaupten, daß sie an Klammers Reaktion ihre helle Freude gehabt hätte. Unser Kardinal Erzbischof setzte seine traurigste Miene auf, biß die Zähne zusammen. Klammers Gesicht sah wie das eines Schafes aus, das ein verborgenes, unerforschliches Leid mit sich herumträgt, wie unser unsterblicher Wodehouse es vielleicht ausgedrückt hätte. Er hat wortwörtlich gesagt: ›Warum ich, o Herr, warum ich?‹ Ein erbärmlicher teutonischer Schwachkopf, durch und durch. Jedenfalls habe ich ein paar Neuigkeiten, Ben. Ich habe einen bewegten Tag hinter mir.«
»Was tun Sie eigentlich wirklich? «fragte ich. »Ich meine, für die Kirche?«
»Heute habe ich mich eingehend umgehört, zum Beispiel. Und ich bin ein guter Zuhörer. Nachdem ich bei Klammer war, habe ich in New York Randolph Jackson aufgesucht, den Kriminalbeamten, der für die Ermittlungen in den Mordfällen zuständig ist. Ich kenne ihn seit zwanzig Jahren. Er konnte mir so einiges berichten …« Er bedachte mich mit einem durchdringenden Blick.
»Dürfte ich Sie um eine Zigarre bitten?« Ich nickte, reichte ihm eine und wartete ungeduldig, während er die Spitze abknipste, die Zigarre anzündete und den Rauch ausstieß. »Eine Sache wie diese erscheint geradezu absurd. Zwei Leichen im Palace Hotel – mein Gott! Nun, Jackson hat mit den Vernehmungen begonnen. Bei Leuten, die in der Nähe des Tatorts arbeiten. Und die Aussagen weisen auf einen Zusammenhang mit der Ermordung Ihrer Schwester hin, Ben – ich hoffe, Sie sitzen gut?«
»Weisen auf einen Zusammenhang mit der Ermordung meiner Schwester hin …«, murmelte ich. Die Vandalen und Goten rückten näher heran, wurden schneller.
»Ein Sekretärin Heffernans hat den Mörder gesehen.« Dunn beobachtete mich, während ich diese Information zu schlucken versuchte. »Sie war am anderen Ende des Flurs in ihrem Büro, hat am Computer gesessen und im Auftrag Heffernans irgendwelche Daten eingetippt. Als sie Heffernan ein paar Fragen stellen mußte, hat sie ihr Büro verlassen und ist den Flur hinunter zu seiner Penthousewohnung gegangen. Sie sah den Mörder aus der Tür kommen und zum Aufzug gehen. Sie hat sich am Türlautsprecher gemeldet. Keine Antwort. Dann hat sie von ihrem Büro aus versucht, Heffernan telefonisch zu erreichen. Wieder keine Antwort. Und schließlich hat sie das Penthouse einfach betreten – wo sie die größte Überraschung ihres Lebens erwartete.«
»Und? Der Mörder?«
»Sie sagt, daß es sich um einen Priester gehandelt hat.« Ein verdrießliches Grinsen legte sich auf sein Gesicht, wie bei einem Mann, der gerade einen schlechten Witz mit einer noch schlechteren Pointe erzählt hat.
»Ein Priester. Vielleicht ein Mann, der wie ein Priester gekleidet war?«
»Die Sekretärin behauptet, sie könne einen echten Priester auf Anhieb erkennen – sie arbeitet seit fünfundzwanzig Jahren für die Diözese. Sie ist
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