Assassini
gefragt, ob … mit unserer Schwester Teresa, und wir hätten natürlich zu gern gewußt, wie überhaupt, in Gottes Namen …« Sie bedachte jeden von uns mit einem wehleidigen Blick, als hoffte sie, wir würden nicht ihr die Schuld für diese alte Geschichte in die Schuhe schieben. »Tja, also, wir hätten natürlich nicht unsere Nasen in anderer Leute Dinge stecken sollen. Nun, dann machten wir unseren Abschluß, und vorbei war’s mit der glücklichen Schulzeit. Ich bin nach Trenton gezogen, wissen Sie, das Leben ging ja schließlich weiter.«
»Und dann?« fragte Peaches sie drängend.
»Ich habe Father Governeau nie wieder gesehen.« Edna nahm sich noch ein Plätzchen vom Teller, drehte es langsam in ihren rauhen Fingern hin und her und starrte es an. »Bis ich sein Foto im Trentonian gesehen habe. Er war tot … Ich konnte es einfach nicht glauben.«
»Auch Priester müssen sterben«, sagte ich.
»Aber nicht so! Von eigener Hand! Das hätte ich niemals für möglich gehalten.« Sie blickte mich an. »Ich hatte eigentlich erwartet, Sie wüßten alles über Father Governeau, Mister Driskill.«
»Wie kommen Sie denn darauf, Edna? Ich höre seinen Namen heute zum erstenmal.«
»Er hat sich doch im Obstgarten Ihres Vaters erhängt. Ich dachte, das wüßten Sie. Natürlich waren Sie damals noch ein kleiner Junge …«
»Wir haben nie darüber gesprochen«, sagte ich.
Gefrorener Reif trübte die Windschutzscheibe, und wir fuhren mit eingeschaltetem Warmluftgebläse und hin- und herzuckenden Scheibenwischern zurück nach Princeton.
Ich sagte: »Warum hat sich Val für diesen Father Governeau interessiert? Ja, sicher, er hat sich in unserem Obstgarten erhängt, aber Val hat vorher nie etwas über ihn in Erfahrung zu bringen versucht. Und jetzt, Jahre später, taucht sie hier auf und erkundigt sich bei Sam Turner, ob es noch Unterlagen über diesen Selbstmord gibt.«
Dunn starrte nach vorn auf die glatte Straße. »Wenn ich mal den Schriftsteller herauskehren darf, dann würde ich sagen, dieser selbstmörderische Priester könnte eine falsche Spur sein, ein Ablenkungsmanöver …«
»Aber Tatsache ist, Val hat darum gebeten, die Akte einsehen zu dürfen. Und da ist noch etwas. Dieser alte Mann, Ihr mörderischer Priester, wenn Sie bei dieser Theorie bleiben, der Mann, der meine Schwester getötet hat, hat auch ihren Aktenkoffer gestohlen, was immer sie an Notizen und Unterlagen darin aufbewahrt haben mag. Notizen für ihr neues Buch, was weiß ich. Der Aktenkoffer ist jedenfalls verschwunden.«
»Woher wissen Sie das?«
Ich erzählte es ihm, und er nickte. »Sie würden nicht glauben, wie viele Notizen und Entwürfe sich bei meinen Büchern angesammelt haben. Wie der unsterbliche Wodehouse einmal gesagt hat: Die Notizen für jeden seiner Romane hätten jeweils eine vielbändige Ausgabe des späteren Buches ergeben.« Er summte für einen Moment unmelodisch vor sich hin. »Ein Priester, der sich erhängt hat. Gut vierzig Jahre später erkundigt ihre Schwester sich nach diesem Priester, und ein anderer Priester ermordet sie und stiehlt ihren Aktenkoffer. Und? Wo ist der Zusammenhang, mein Freund? Wir wissen nicht genug. Wenn man im Nebel herumirrt, im Niemandsland, wenn man nicht sehen kann, in welche Richtung man geht oder wo man gerade noch gewesen ist, dann ist das in etwa die gleiche Situation, in der Sie sich jetzt befinden … dann muß man darauf achten, den Fuß nicht auf eine Tretmine zu setzen. Sie müssen sich jetzt ganz langsam voranbewegen, ganz vorsichtig. Oder dieser Priester kommt wie ein Schatten aus der Nacht über Sie und tötet Sie auch.«
Als wir auf den Zufahrtsweg einbogen, der zum Haus führte, war der Wind so heftig geworden, daß er den Wagen durchschüttelte und beinahe zur Seite drückte.
»Ich habe Sie beim Blindekuhspielen beobachtet«, sagte ich. »Ich hatte den Eindruck, Sie könnten durchs Tuch schauen. Wie haben Sie das gemacht?«
»Auf die einzig mögliche Weise. Ich habe geschwindelt. Kinder sind leicht hereinzulegen. Es gefällt ihnen. Von einem Priester erwarten sie es sogar, und ich wollte sie natürlich nicht enttäuschen. Das alles gehört zur großen Verführung … So haben wir Geistlichen es schon immer gemacht, das wissen Sie. Nimm eine junge Seele, einen jungen Geist, der noch in der Entwicklung begriffen ist« – er lächelte mich an, hielt die Reifen in der gefrorenen Fahrspur, während die Schneeflocken im Licht der Scheinwerfer aufglühten – »und
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