Assassini
mit Perry Como als Sänger. Tja, ihr seht hier einen zweiundachtzigjährigen Mann vor euch, der versucht, seine achtundzwanzigjährige Enkelin davon zu überzeugen, daß er noch weiß, was in ist, wie man heute so sagt.« Er plapperte munter vor sich hin, augenscheinlich froh darüber, mit jemandem reden zu können. »Ihre Mutter hat vor ein paar Jahren diese Alzheimer-Sache bekommen und ist daran gestorben, aber ich bin, weiß der Henker, viel zu beschäftigt mit meinem ganzen Zeug hier – tja, ihr habt sicher schon bemerkt, was für ein geschwätziger alter Knacker ich bin, was? Ich kann einfach nicht mehr aufhören zu reden, wenn ich erst mal angefangen hab’, muß immer meinen Senf dazugeben. Sam Turner hat mir erzählt, daß dich die alte Geschichte mit diesem Vincent Governeau interessiert, Ben. Armer Teufel.«
Er wartete, bis wir auf dem Sofa Platz genommen hatten, und setzte sich dann in einen Schaukelstuhl. Er war mager und trug einen Pullover und Reebok-Jeans. Er musterte Schwester Elizabeth neugierig: Er hatte zweimal hingeguckt, als ich sie ihm als Nonne vorgestellt hatte.
»Sam hat gesagt, daß Sie vielleicht noch die Akte Governeau haben«, sagte ich.
»Ich hab’ sie mitgenommen, als ich vor fünfzehn Jahren in Pension ging, weil ich nicht wollte, daß Sam wegen der Sache noch Schwierigkeiten kriegt. Dann hab’ ich mir gedacht, zum Teufel damit, paß auf, daß dir die alte Geschichte nicht selbst noch Schwierigkeiten einbringt. Also hab’ ich die Akte verbrannt.« Er brach plötzlich in Gelächter aus. »Hab’ den Beweis zerstört.«
»Den Beweis wofür?« fragte Schwester Elizabeth.
»Den Beweis für eine Geschichte, die man heute als Vertuschung bezeichnen würde. Ich bin nie drüber weggekommen, war immer ’n ehrlicher Polizist. Liegt an meiner Erziehung. Man hat mich gelehrt, meinen Platz in der Welt richtig einzuschätzen. Es gibt ’ne Menge Leute, die wichtiger sind als ein kleiner Cop aus Princeton. War aber ’ne wertvolle Lektion, alles in allem.« Er lächelte bei diesem Gedanken friedlich vor sich hin. Man konnte erkennen, daß ihn mittlerweile so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen konnte.
»Und was ist vertuscht worden?«
»Tja, Schwester, es ging nicht nur darum, was vertuscht wurde. Es drehte sich auch darum, wer die Sache vertuschen wollte. Ben, ich glaub’ nicht, daß dein Vater jemals gewußt hat, was sich da alles hinter den Kulissen abgespielt hat. Er hat mir irgendwie leid getan. Wahrscheinlich war es das einzige Mal in seinem Leben, daß er nicht Bescheid wußte. Ich war Deputy Chief, und Clint O’Neill war Chief, und dann stürzte das alles aus heiterem Himmel über uns herein und ist auf Clint gelandet – und der war ein sturer Bock, das hat’s ihm so schwer gemacht. Einmal hatte Clint abends einige Bierchen zuviel intus und hat zugegeben, daß er drauf und dran war, von dieser Governeau-Geschichte lebendig begraben zu werden. Aber er mußte nach anderer Leute Pfeife tanzen, er mußte mitspielen – gegen ’nen Gouverneur, ’nen Senator, ’nen Erzbischof, gegen mehr Schwergewichtler, als man bei ’nem Weltmeisterschaftskampf findet, kommt man als Cop nicht an …«
»Und das alles, weil ein Priester, der jungen Mädchen Kunstunterricht gegeben hat, durchgedreht ist und sich erhängt hat?« Ich blickte ihn skeptisch an. »Um was ging es wirklich?«
»Das Problem war, mein Junge, er hat keinen Selbstmord begangen – es sei denn, er hatte ’ne Möglichkeit gefunden, sich erst den Hinterkopf mit einem Hammer einzuschlagen und sich dann als Leiche eigenhändig aufzuhängen. Aber genauso muß es passiert sein – nach der offiziellen Version. Sofern es kein Mord war, und natürlich war es Mord. Was denn sonst.«
»Und die Wahrheit ist niemals ans Licht gekommen?«
»Nie.« Er grinste und fuhr sich mit einer Hand durch seinen weißen Bürstenhaarschnitt. »Und das wird auch nicht mehr der Fall sein. Die ganze Sache ist niemals untersucht worden. Sie wanderte sofort als Selbstmord in die Akten. Wie ich schon sagte, dein Dad hatte plötzlich ’ne Leiche am Hals, weil sich dieser Priester in eurem Obstgarten erhängt hat, und dann kamen die Gerüchte, du weißt ja, wie die Leute sich die Mäuler zerreißen, und das hat ihn ziemlich fertiggemacht. Aber was konnten wir Cops schon tun?«
»Was für Gerüchte?«
»Verzeihen Sie, Schwester, aber ich bin sicher, Sie können sich vorstellen, was damals …«
»Schwangere Nonnen versteckt man in Klöstern«,
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