Assassini
Bewunderung in der Stimme sagte er: »Sie hat es in der Trommel versteckt. Frauen sind erstaunliche Geschöpfe. Einfallsreich. Ich frage mich, wie sie an dieses Foto gekommen ist …«
»Sagt Ihnen das Foto irgend etwas?«
»Sicher. Der Kerl mit der Banane anstelle einer Nase ist Giacomo D’Ambrizzi, ganz eindeutig. Das Foto ist auf französischem Papier abgezogen. Es ist ungefähr vierzig Jahre alt, würde ich sagen. Also vermutlich aus dem Zweiten Weltkrieg. Paris.«
»Sie entnehmen einem zerknitterten alten Schnappschuß ja eine ganze Menge …«
Dunn zuckte die Achseln. »D’Ambrizzi war während des Krieges in Paris. Ich war in der Armee, als Feldgeistlicher. Ich kam erst nach der Befreiung nach Paris. Dort habe ich D’Ambrizzi kennengelernt. Daher meine Vermutungen, was das Foto betrifft. Ich habe ihn allerdings nur einmal getroffen und dann erst wieder viele Jahre später. Die anderen Männer? Ich habe keine Ahnung.«
»Warum war das Foto für Val so wichtig?«
Dunn reichte es mir zurück. »Da bin ich überfragt.«
Die Eingangstür wurde geöffnet, und Elizabeth kam in den Long Room. Ihr Gesicht war von Wind und Kälte gerötet.
»Schwester Elizabeth, meine Liebe!« Dunn ging zu ihr hinüber. Die verschiedensten Gefühle spiegelten sich auf ihrem Gesicht, als sie ihn erkannte, und sie rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Es tut mir so leid um Schwester Valentine.« Er nahm ihre Rechte in beide Hände.
»Father Dunn«, sagte sie kühl. »Ausgerechnet.«
»Sexbesessen«, sagte Dunn, während er an einem Schinkenbrötchen kaute. Er betrachtete den letzten Schluck Scotch in seinem Glas, rülpste leise und sagte: »Ich werde mich auf Milch umstellen. Vielleicht für den Rest meines Lebens.« Er ging zum Spülstein, kippte den Rest Whisky weg, spülte das Glas aus und schenkte sich Milch ein. »Ja, sexbesessen. Das ist ein Zitat. Keine Ausflüchte, Schwester. Ich hab’s schwarz auf weiß gelesen. Ich wette, Sie haben Schwester Elizabeth’ Rezension meines letzten Buches nicht gelesen, Ben, aber Autoren lesen sämtliche Kritiken …«
»Und vergessen die schlechten nie«, sagte ich.
Schwester Elizabeth beugte sich vor, die Ellbogen auf der Tischplatte, das Kinn auf die Handflächen gestützt. »Würden Sie es als schlechte Kritik bezeichnen, Father?«
»Gott bewahre, nein. Ich würde es sogar als verkaufsfördernde Rezension bezeichnen. Hätte sie selbst nicht besser schreiben können. Und ich hatte den Eindruck, daß einige meiner Kollegen mich mit wiedererwachtem Respekt betrachtet haben.«
»Meine Kollegen mich auch«, sagte sie. »Ich habe den Verdacht, Ihre Bücher werden in manchen Nonnenklöstern geradezu verschlungen. Sex ist ein gutes Geschäft. Also sind Sie mir etwas schuldig.«
»Aber haben Sie das wirklich so gemeint, Schwester?«
»Das mit dem ›sexbesessen‹? Na, hören Sie mal, Father, warum sollte ich lügen? Mir scheint eher die Frage zu sein, ob ich damit recht habe. Sie scheinen auf diesem Gebiet, zumindest literarisch, ausgesprochen versiert zu sein.« Sie zuckte herausfordernd die Achseln. »Vielleicht haben Sie auch nur eine sehr lebhafte Phantasie.« Sie zwinkerte mir zu.
»Die Phantasie kann sehr hilfreich sein, finden Sie nicht auch? Sie haben gerade Klöster erwähnt, zum Beispiel – aber was, frage ich mich, wissen Sie über das klösterliche Leben?«
»Genug, Father.« Sie grinste. »Gerade soviel, wie ich wissen muß.«
Nach diesem Geplänkel sprachen wir zwangsläufig über die Morde, insbesondere über den Mord an Val, und versuchten, Gefühle aus dem Spiel zu lassen. Aber immer wieder musterte Elizabeth Father Dunn mit einem ihrer abschätzenden Blicke. »Ich verstehe nur nicht so recht, wie Sie in diese ganze Geschichte hineingeraten sind«, sagte sie schließlich. »Haben Sie Val gekannt? Oder liegt es an irgendwelchen Verbindungen, die Sie nach Princeton haben?«
»Ich habe Schwester Valentine nie persönlich kennengelernt. Ben ist mein erster Driskill, sozusagen. Und ich bin rein zufällig hier. Nur ein kleiner Leuchtpunkt auf dem Radarschirm, aber wie sich herausgestellt hat, kenne ich den Mann in New York, der mit der Untersuchung der Morde betraut ist. Ich dachte, ich könnte Ben vielleicht eine Hilfe sein. Natürlich habe ich auch Curtis Lockhardt flüchtig gekannt …«
»Verzeihen Sie, Father, aber haben Sie eine Gemeinde? Ein Büro? Sie müssen doch irgendeine Aufgabe …«
»Oh, offiziell bin ich der New Yorker Erzdiözese unterstellt.
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