Assassini
schweifen. Ich hatte ihr einen alten Morgenmantel von mir gegeben. Sie hatte dieser Zusammenstellung ein Paar von Vals Kniestrümpfen hinzugefügt. Sie entdeckte die Omelettpfanne, die an einem Wandhaken hing. »O ja, Apfel. Ich werde auch noch ein paar Apfelstückchen dazugeben.« Sie lächelte mich an. »Sicher wissen Sie, daß das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages ist, und um Ihrer Frage zuvorzukommen: Zu Hause esse ich nicht soviel.« Sie fing an, die Eier aufzuschlagen. »Nun, was meinen Sie zu dem Foto?«
Ich saß am Küchentisch und starrte die Aufnahme an, die ich in der Trommel gefunden hatte. Sehr alt, vergilbt, zerknittert wie die Fotos, die mein Vater und meine Mutter 1936 am Lago Maggiore gemacht hatten. Nur, daß auf dem Bild nicht Mutter und Vater zu sehen waren.
Das Foto zeigte vier Männer. Der winzige Stempel auf der Rückseite des Bildes war in französischer Sprache. Es war eine Erinnerung aus dem Fotoalbum eines Unbekannten.
»Es sagt mir rein gar nichts. Vier Männer an einem Tisch. Vor langer Zeit. Wände aus Ziegelstein, Kerzen in Weinflaschen, jede Menge Schatten. Sieht wie eine von den Pariser Künstlerkneipen aus. Vier Kerle.«
Elizabeth zerkleinerte schnell und geschickt Zwiebeln und Apfel auf dem Hackbrett. Sie reckte den Hals, um noch einen Blick auf das Foto zu werfen. »Fünf.«
»Vier«, sagte ich.
»Ich wette, derjenige, der die Aufnahme gemacht hat, gehörte zu den vieren.« Sie blickte mich an, und ich nickte. »Und einen von den Männern kennen Sie. Der neben dem vierten sitzt. Wer dieser vierte Mann ist, ist unmöglich festzustellen, weil man ja praktisch nur den Hinterkopf sieht. Aber Nummer drei, von links aus gesehen, ist im Profil zu erkennen. Schauen Sie mal genau hin. Erkennen Sie diesen Zinken?«
Sie hatte recht. Der Mann kam mir irgendwie bekannt vor; es war jemand, den ich hätte erkennen müssen. Aber ich konnte ihn einfach nicht unterbringen.
»Tja«, sagte sie, »ich genieße das Privileg, diesen Mann ziemlich oft zu Gesicht zu bekommen. Eine solche Nase verändert sich nicht.« Sie hatte die Zwiebeln und Äpfel jetzt zerhackt, und ich konnte die Butter riechen, die in der Pfanne brutzelte, vermischt mit dem Duft frisch gekochten Kaffees. Sie verquirlte in einer Schüssel ein halbes Dutzend Eier mit einem Schuß Wasser. »Das ist Giacomo D’Ambrizzi in früheren Jahren.«
»Natürlich! Ohne Bart – er hatte einen dichten schwarzen Schnurrbart wie ein Bandit, als Vater ihn nach dem Krieg mit nach Hause gebracht hat. Sie sind sehr scharfsinnig, Schwester. Was für eine Bedeutung hat das Foto Ihrer Meinung nach?«
»Ich bin nur der Koch.« Sie war gerade dabei, die Apfel- und Zwiebelstücke in die brutzelnde Butter einzurühren. Sie wandte mir den Rücken zu, hantierte wie eine berufsmäßige Köchin herum. »Aber eines wissen wir sicher. Das Foto hat irgendeine besondere Bedeutung. Val hat es vor der ganzen Welt versteckt -außer vor uns beiden.«
»Tja, ich kann jedenfalls nichts damit anfangen«, sagte ich.
»Und Val hat ja nicht mal gewußt, daß ich von der Trommel wußte, von ihrem Versteck. Darum konnte sie nicht davon ausgehen, daß ich dort nachsehen würde.«
»Da irren Sie sich. Val hat mir viel von Ihnen erzählt. Wie Sie das Schwarzpulver im Keller gefunden haben, oder …«
»Sie wollen mich auf den Arm nehmen!«
»Sie hat mir von den berühmten tönernen Füßen erzählt; sie hat mir erzählt, wie sie mal Ihr Weihnachtsgeschenk in der Trommel versteckt hat; sie hat mir erzählt, daß Sie dahintergekommen sind, wo ihr Lieblingsversteck gewesen ist, aber sie hat Ihnen immer verschwiegen, daß sie wußte, daß Sie es wußten. Val hat sogar bestimmte Gegenstände in der Trommel versteckt, weil sie wollte, daß Sie sie finden – es war wie ein Spiel, Ben. Sie waren der ältere Bruder, der seiner kleinen Schwester oft einen Streich gespielt hat, aber mit der Trommel konnte sie es Ihnen heimzahlen …« Sie hielt unvermittelt inne. »Ben, sie hat das Foto dort hineingelegt, weil Sie und niemand sonst es finden sollten, falls ihr irgend etwas zustieß. Und Sie haben es gefunden. Es ist der Schlüssel.« Sie wandte sich wieder dem Herd zu, rührte die Eier in die Pfanne.
»Ein altes Foto von D’Ambrizzi ist der Schlüssel? «
Der Duft aus der Pfanne stieg mir in die Nase. Dieses unglaubliche Geschöpf schaffte es tatsächlich, daß ich schon wieder hungrig wurde.
»Vielleicht ist D’Ambrizzi gar nicht so wichtig«, sagte
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