Assassini
sie.
»Sie glauben, es sind die drei anderen?«
»Vier. Vergessen Sie nicht den, der das Foto geschossen hat.«
Um neun Uhr morgens kam Margaret Korder, die Sekretärin meines Vaters, und nahm das Heft in die Hand. Sie schirmte mich sofort ab, schützte mich vor den Forderungen und Ansprüchen der Außenwelt – genau das, was sie dreißig Jahre lang für meinen Vater getan hatte.
Sam Turner kam mit einem Freund Father Dunns, Randolph Jackson vom New York Police Department, einem Farbigen, der einst als Halbstürmer bei den Giants gespielt hatte. Sie blieben von zwölf bis kurz nach zwei Uhr nachmittags. Es war mehr eine Plauderei als eine offizielle Befragung. Jackson trank Orangensaft und warf die Frage auf, welche Verbindung zwischen ›seinen‹ Mordfällen in New York und dem Sams in Princeton bestehen mochte. Ich gelangte zu der Überzeugung, daß es zwecklos war, den durch die Tatsachen vorgegebenen Weg zu verlassen. Also ließ ich die Kirche aus dem Spiel, ebenso Vals Verhältnis mit Lockhardt; ich erwähnte nicht einmal den Aktenkoffer oder Vals geplantes neues Buch oder das vierzehnte Jahrhundert und den Zweiten Weltkrieg und den Priester, der sich vor so langer Zeit in unserem Obstgarten erhängt hatte. Es gab keinen Grund, Turner und Jackson mit Spekulationen zu konfrontieren, die die Kirche betrafen; sie würden ohnehin nicht wissen, was man in dieser Hinsicht unternehmen konnte. Ich wiederum wußte nicht, wie ich ihnen das alles hätte beibringen und wo ich mit der verwickelten Geschichte überhaupt hätte anfangen sollen.
Als sie zum Aufbruch rüsteten und Jackson noch ein paar Worte mit Schwester Elizabeth wechselte, nahm Sam Turner mich beiseite und sagte, daß er nichts über den Priester hatte finden können, der sich in unserem Garten erhängt hatte. »Aber der Name ist mir wieder eingefallen«, sagte er. »Franzose. Governeau. Father Vincent. Ich habe übrigens auch mit dem alten Rupe Norwich telefoniert. Es hat ihm furchtbar leid getan, von dem Mord an Ihrer Schwester erfahren zu müssen, Ben. Und was die Akte über den Priester betrifft – Rupe hat gesagt, er habe sie mitgenommen, als er in den Ruhestand ging. Ich konnte das nicht glauben. Er war immer ein Paragraphenreiter, der alte Rupe. Ich habe ihm gesagt, daß das gesetzwidrig sei. Und er hat erwidert, ich könne ja vorbeikommen und ihn in den Knast stecken. Das ist vielleicht ein Kauz, der gute alte Rupe.«
Jackson und Turner hatten kaum das Grundstück verlassen, als Schwester Elizabeth und ich auch schon in meinem Wagen saßen und in Richtung Jersey-Küste losfuhren, die etwa eine Autostunde entfernt lag. Es war ein grauer, kalter Tag. Die Straßen waren von gefrorenen Pfützen übersät, und der Wind fegte wütend aus den Gräben und über die Felder, die jetzt, nach dem frühen Wintereinbruch, braun und trostlos wirkten.
Sandschleier wehten von den Dünen, als wir nach kurzer Suche Rupe Norwichs Holzhaus erreichten. Die salzhaltige Seeluft hatte den Außenanstrich zerfressen und stellenweise abblättern lassen, aber dennoch strahlte das Haus jene gefällige, unaufdringliche Sauberkeit aus, die man oft bei den Häusern alter Leute antrifft, die im Ruhestand und nicht recht ausgelastet sind. Norwich war ungefähr achtzig Jahre alt und freute sich aufrichtig, Besuch zu bekommen. Er kannte mich von Kindesbeinen an. Er war todtraurig wegen Val und erkundigte sich nach dem Befinden meines Vaters. Er schien fast so etwas wie Schuldgefühle wegen Vals Tod und meines Vaters Kummer und Krankheit zu empfinden, weil er selbst nach einem langen Leben noch so rüstig war.
»Ich bin nicht so wie dein Vater. Ich hab’ nicht die Macht, über das Schicksal der Welt und der Kirche mitzubestimmen«, sagte er, hakte die Daumen unter die Hosenträger und führte uns ins Wohnzimmer, das mit Möbeln vollgestopft und völlig überheizt war. »Aber ich sorg’ schon dafür, daß keine Langeweile aufkommt. Man muß sein Hirn fit halten. Videospiele«, sagte er und wies auf seinen IBM-Personalcomputer, »das ist heutzutage die große Masche. Teufel noch mal, ich fliege Kampfeinsätze, spiele Golf, Baseball, ich geh’ gar nicht mehr aus dem Haus. Computer sind schon ’ne tolle Sache. Und ich versuche, auf dem laufenden zu bleiben, ich hör’ mir viel Musik an, U2 und die Beastie Boys und Bruce Springsteen natürlich, er ist schließlich ein Junge aus Jersey. Naja, ab und zu leg’ ich natürlich auch meine alten achtundsiebziger Ted-Weem-Platten auf,
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